Oscar-Verleihung:Der Sieg des Kinos über sich selbst

Mädchen contra Fliegertraum, Eastwood contra Scorsese - die Oscar-Nacht wird so spannend wie lange nicht. Von Susan Vahabzadeh

Die Oscars mögen das größte Filmereignis des Jahres sein, aber nicht mal der Zirkus im Kodak-Theatre ist von Haus aus spannend. Die Quoten sind nicht berauschend gewesen bei den Oscar-Zeremonien der letzten Jahre - da kann am Ende vielleicht wirklich nur das Kino selbst helfen, wenn es nämlich wirklich um etwas geht.

Oscar-Verleihung: Gut Voraussetzungen für die diesjährige Oscar-Verleihung: Diesmal geht es ausnahmsweise nur um die Filme an sich.

Gut Voraussetzungen für die diesjährige Oscar-Verleihung: Diesmal geht es ausnahmsweise nur um die Filme an sich.

(Foto: Foto: Reuters)

Zwei deutsche Anwärter

Aus deutscher Sicht ist es ohnehin ein aufregendes Jahr: "Das weinende Kamel" könnte gewinnen als bester Dokumentarfilm, und der sogenannte "Downfall", Eichingers "Der Untergang", ist nominiert als bester ausländischer Film.

Vielleicht nutzt sich die Aufregung auch ein wenig ab - dass Caroline Link gewonnen hat mit "Nirgendwo in Afrika", ist ja erst zwei Jahre her. Aber Hollywood selbst liefert sich in diesem Jahr ein Kopf-an-Kopf-Rennen, und das ist so spannend wie seit Jahren nicht - ein Kampf der Titanen sozusagen, Eastwood gegen Scorsese, einer von beiden wird der Sieger sein am Sonntagabend.

Alles andere - wenn "Finding Neverland", Ray" oder "Sideways" siegreich wären als bester Film - wäre wirklich schon eine Überraschung, aber man weiß ja nie.

Aviator gegen Mädchenboxen

Um den besten Film und um die Regie geht es, doch sowohl Eastwoods "Million Dollar Baby" als auch Scorseses "The Aviator" sind auch noch in anderen Kategorien im Rennen. Hilary Swank ist als beste Hauptdarstellerin nominiert für Eastwoods Mädchenboxen-Drama, er selbst ist auch als Schauspieler nominiert, und Morgan Freeman als bester Nebendarsteller.

Für die Howard-Hughes-Biografie "The Aviator" ist Alan Alda in der selben Kategorie im Rennen, außerdem Cate Blanchett - die Kate Hepburn im "Aviator" - als beste Nebendarstellerin, und natürlich Leonardo DiCaprio für die Hauptrolle.

Was die Prognosen betrifft, hat Eastwood eindeutig die Nase vorn - es ist zu großartig und spannend, zu aufwühlend und mitreißend, was der alte Mann da macht. Scorseses "Aviator" ist ein wunderschöner Film, nicht nur übers Kino, auch, genau wie Eastwood, über den Kampf für die eigenen Ideale - aber es fehlt ihm vielleicht wirklich noch ein klein wenig irgendwas, gemessen an dem, was Eastwood zu sagen hat über das Leben und das Sterben, über Gott und Glauben, über Liebe und Halt.

Uncineastische Motivationen

Wenn Eastwood gewinnt, ist das traurig für Martin Scorsese, der eigentlich längst in den Kino-Olymp gehört, und eigentlich nur deswegen keinen Oscar hat, weil die Dinge schlecht gelaufen sind - vor zwei Jahren, als es um "Gangs of New York" ging, hat ihn Roman Polanski besiegt, was eine cineastisch einwandfreie Entscheidung war, aber wohl sehr uncineastisch motiviert.

Der "Gangs"-Produzent Harvey Weinstein hatte ein bisschen zu arg auf den Putz gehauen für Scorsese. Weinstein ist auch beim "Aviator" an Scorseses Seite, aber ruhiger, und in diesem Jahr geht es noch um etwas ganz Anderes - die Weinstein-Brüder werden ihre Firma Miramax verlassen. Damit geht eine Kino-Ära zu Ende.

Den Abgesang aufs Independent-Kino der neunziger Jahre hört man schon seit ein paar Jahren, doch wenn Miramax nicht mehr ist, was es mal war, ist das endgültig der Augenblick, in dem sozusagen der letzte Vorhang fällt.

Ideale Voraussetzungen

Eine ganz verdrehte Situation kommt dabei heraus, der man anmerkt, wie sich die Vorzeichen verkehrt haben in Hollywood in den letzten Jahren. Ist der 74-jährige Eastwood, der schon einen Oscar hat und weder zum Independent-Kino noch zu New Hollywood gehört, Establishment? Oder ist es am Ende doch der New-Hollywoodianer Scorsese mit seinem Produzenten aus der jungen wilden Ecke?

Wenn man die Frage nach dem Geld stellt, ist die Sache klar: "Aviator" ist ein Riesending, Eastwood hat einen 30-Millionen-Dollar-Film abgeliefert - für Hollywood-Verhältnisse eine kleine Sache -, mit einer Oscarpreisträgerin, die sich dem kommerziellen Kino nicht hat annähern mögen in den Jahren seit ihrem Sieg für "Boys Don't Cry", und mit einer Geschichte, die einen nicht schont.

Am Ende geht es an diesem Abend ausnahmsweise - eine ideale Voraussetzung -gar nicht mehr darum, wer zu welchem Lager gehört, sondern nur um die Filme an sich. Und gegen Eastwood zu verlieren, muss nicht einmal Scorsese peinlich sein.

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