Oscar-Nominierungen:Hollywood bleibt liberal

Die Anwärterliste auf den wichtigsten Filmpreis der Welt zeigt: Die Academy hat ihr Herz entdeckt für kleine, mit wenig Geld gemachte Filme - und entfernt sich von ihrem alten Ruf, nur den Erfolgen an der Kinokasse hinterherzulaufen.

Susan Vahabzadeh

Zum dritten Mal in vier Jahren ist mit "Sophie Scholl" ein deutscher Film im Rennen um den Auslands-Oscar - die Academy of Motion Picture Arts and Sciences hat fast traditionsgemäß Interesse an deutschen Filmen übers Dritte Reich. Auch ein deutscher Kurzfilm ist nominiert, "Ausreißer" von Ulrike Grote, produziert an der Hamburg Media School.

In mancherlei Hinsicht deutet sich bei den Entscheidungen der 5800 Academy-Mitglieder ein Imagewandel an. "Brokeback Mountain", Ang Lees wunderschöne Liebesgeschichte unter Männern, ist erwartungsgemäß als bester Film nominiert, außerdem für Larry McMurtrys/Diana Ossanas Drehbuch, für die Regie, Heath Ledger als Hauptdarsteller, Jake Gyllenhaal und Michelle Williams für die Nebenrollen, für Kamera und Musik.

Das Grübeln ist vorüber

Die Nominierungen, die Mira Sorvino und der Academy-Präsident Sid Ganis zusammen gestern vortrugen, um halb sechs in der Früh in Los Angeles, haben alle Thesen bestätigt, die sich festgesetzt haben in den Branchenblättern und bei den Kritikern in den vergangenen Wochen: Die Academy hat ihr Herz entdeckt für kleine, mit wenig Geld gemachte Filme, bewegt sich immer weiter weg von ihrem alten Ruf, nur den Erfolgen an der Kinokasse hinterherzulaufen.

Philip Seymour Hoffman für "Capote", dazu Felicity Huffman für ihre Rolle als Transsexueller in "Transamerica" als beste Darsteller, politisches Kino wie "Crash", "Syriana" und "Good Night, and Good Luck" - das Grübeln am Beginn der zweiten Ära Bush, ob das Kino tatsächlich noch den amerikanischen Massengeschmack bedient, scheint vorüber: Hollywood bleibt liberal. Und wem das nicht passt, der soll sich seine Filme anderswo suchen.

Anders kann man's fast nicht interpretieren, was da aufgezählt wurde. Neben "Brokeback" sind auch der Todesstrafen-Film "Capote", das McCarthy-Drama "Good Night, and Good Luck" und Paul Haggis' Rassismus-Episodenfilm "Crash" für den besten Film nominiert. Und dann ist da noch was, was sich die Academy nicht hat nehmen lassen: Sie hält zu Spielberg und "Munich", egal, was da draußen so herumgekrittelt wird, und obwohl der Film an der Kasse gefloppt ist.

"Munich" ist im Rennen als bester Film, auch das so oft gescholtene Drehbuch von Tony Kushner und Eric Roth wurde nominiert. Der Rest darf sich auf Nebenkriegsschauplätzen austoben - Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon haben Golden Globes gewonnen für "Walk the Line" und sind nominiert, ansonsten ist der Film nur für Schnitt, Mischung und Kostüme dabei; "King Kong" findet überhaupt nur für technische Meisterschaft Beachtung.

Clooney ist mit zwei Filmen dabei

Auf gleicher Höhe mit Ang Lee und seinen acht Nominierungen ist George Clooney, allerdings mit zwei Filmen - drei für sich selbst, als Nebendarsteller in Stephen Gaghans (von Clooney coproduziertem) CIA-Drama "Syriana", als Regisseur und als Autor für "Good Night, and Good Luck" - auch da ist er einer der Produzenten, die Nominierung für den besten Film geht aber an Grant Heslov, der auch am Drehbuch mitgearbeitet hat.

Ob "Sophie Scholl" über den Widerstand der Weißen Rose eine Chance hat gegen den palästinensischen Mitbewerber für den besten fremdsprachigen Film, "Paradise Now", über einen Selbstmordattentäter, das wird man sehen - aber ein bisschen Spannung muss ja auch sein.

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