Oscar Academy:Graue Liste

Susan Vahabzadeh

Zu viele weiße alte Männer würden entscheiden, hat man der Hollywood Academy bei der Oscar-Vergabe mal wieder vorgeworfen. Nun hat man sich eine Menge neuer Mitglieder geholt. Die Probleme der Filmindustrie sind so aber nicht zu lösen.

Von Susan Vahabzadeh

Die Oscar Academy hat, als Reaktion auf die hitzigen Debatten nach der diesjährigen Nominierungsliste, 683 neue Mitglieder eingeladen; das sind mehr, als jemals auf einen Schlag dazugebeten wurden, sogar mehr als bei der Gründung 1927. Im Jahr 2016 waren für die Oscars, wie so oft, so gut wie keine schwarzen Filmemacher oder Schauspieler oder Kameraleute nominiert worden; und Frauen waren vorwiegend in jenen Kategorien vertreten, in denen sie unter sich bleiben - weibliche Darsteller beispielsweise. Die einhellige Meinung war im Frühjahr, eine solche Nominierungsliste sei nicht mehr so richtig zeitgemäß. Darüber, wie sich das ändern lässt, kann man aber geteilter Meinung sein.

Die Academy ist angegriffen worden für ihre Auswahl, und die hatte bestimmt damit zu tun, dass ihre Mitglieder zu mehr als zwei Dritteln überdurchschnittlich betagte weiße Männer sind, die andere weiße Männer nominieren. Nun soll der ehrgeizige Plan umgesetzt werden, das bis 2020 zu ändern. Die neue Einladungsliste zeigt, wie schwer das ist: Sie schlägt nicht gerade ein wie ein Erdbeben, obwohl fast die Hälfte der Geladenen weiblich ist, obwohl sehr viele schwarze Filmschaffende dabei sind. Aber die Academy besteht derzeit aus fast 7000 Mitgliedern. Und das bedeutet: Es sind jetzt statt 75 Prozent Männern nur noch 73 Prozent, und schwarz sind jetzt statt acht stolze elf Prozent der Mitglieder.

Eine Blockbuster-Frau für die Academy: Sam Taylor-Johnson, mit "Fifty Shades of Grey"

Es sind viele Filmemacher geladen worden, die viel arbeiten, aber nicht im Studiosystem, Greta Gerwig beispielsweise ("Frances Ha"), Miranda July ("Me and You and Everyone We Know") und Nate Parker, dessen "Birth of a Nation" in diesem Jahr in Sundance lief. Ken Loach ist schon achtzig und wurde jetzt erst, nach seinem dritten Sieg in Cannes, geladen; beim Übergewicht weißer Männer ist er aber nicht sehr hilfreich.

Und obwohl der Effekt doch so gering ist - viel zu gering, um in vier Jahren alles ins Reine zu bringen -, sind auf der Liste auch Leute gelandet, die einen daran zweifeln lassen, dass die Academy am Ende ihrer Neustrukturierung noch die selbe Instanz ist, um über gelungene Kreuzungen von Kunst und Kommerz zu befinden - was ja die Kernkompetenz war, die die Oscars überhaupt so wichtig werden ließ. Nehmen wir beispielsweise die Regisseurin Sam Taylor-Johnson: Sie ist tatsächlich eine der wenigen Frauen, die einen richtig erfolgreichen Blockbuster gemacht haben - "Fifty Shades of Grey", der aber nicht bei den Oscars abräumte, sondern bei den Goldenen Himbeeren, dem Preis für Filme, die eher peinlich sind. Auch ihre Hauptdarstellerin Dakota Johnson ist jetzt geladen, 26 Jahre alt, weswegen es möglich ist, dass sie irgendwann doch noch eine große schauspielerische Leistung abliefert. Bislang sieht es aber, ehrlich gesagt, nicht danach aus.

Hätte die Academy die gesamte Independent-Szene geladen, würde sie sich verändern, lädt sie aber Leute ein, nur weil sie bekannt sind, wird sie sicher auch nicht dieselbe sein. Warum das so gekommen ist? Bestimmt nicht, weil die Academy-Leitung es für einen Fehler hält, "Fifty Shades of Grey" nicht als besten Film ins Rennen gelassen zu haben. Es gibt einfach nicht genug naheliegende Kandidaten. Die Veränderung der Zusammensetzung läuft falsch herum: Die Filmindustrie muss sich ändern. Eine Quote für die Academy, während die Filmstudios weiterhin nur weiße Männer als Regisseure anheuern - das ist Aktionismus. Und auf die Einstellungspraxis der Filmstudios hat die ganze Debatte, das zeigen die Projekt-Listen für die nächsten Jahre, wenig Einfluss gehabt.

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