Oper:Romanze zur Sommerzeit

Gershwins "Porgy and Bess" am Deutschen Theater

Von DIRK WAGNER

Der afro-amerikanische Komponist Will Marion Cook durfte wegen seiner Hautfarbe nie an die von ihm so sehr geschätzte europäische Hochkultur anknüpfen. Weiße Künstler konnten die afro-amerikanische Kultur hingegen regelrecht anschieben. Beispiele dafür sind der ausschließlich mit schwarzen Schauspielern besetzte Film "Carmen Jones" des aus Österreich geflüchteten Otto Preminger oder eben George Gershwins Oper "Porgy and Bess", die nach einer Verfügung der Gershwin-Erben in sämtlichen Rollen mit farbigen Schauspielern besetzt sein muss. Was in den USA als Förderung von häufig benachteiligten dunkelhäutigen Darstellern funktioniert, erschwert anderswo die Inszenierung des Stoffs. Entsprechend selten ist die Oper deshalb trotz ihres Erfolgs auf europäischen Bühnen zu bewundern. In der Regel sind das dann auch Gastspiele von US-amerikanischen Ensembles wie des New York Harlem Theatre, das auf Anregung seines musikalischen Direktors William Barkhymer eigens für die Gershwin-Oper gegründet wurde. Mit mehr als 50 Darstellern gastiert es nun bis 7. August im Deutschen Theater.

Begleitet wird das Ensemble von einem 42 Musiker starken Orchester, das unter dem Dirigat von Barkhymer die Sänger regelrecht anzutreiben scheint. Längst hat man sich nämlich an langsamere Interpretationen der Songs gewöhnt. An "Summertime" zum Beispiel, in dem schon unzählige Sängerinnen ihren gesamten Weltschmerz ausgebreitet haben. Barkhymer versteht das Lied als aufmunterndes Wiegenlied und folgt auch hier konsequent dem überlieferten Vorbild von Gershwins eigener Einspielung. Diese Zügigkeit lässt der Liebesgeschichte zwischen dem verkrüppelten Bettler Porgy und der drogenabhängigen Bess wenig Raum. Stattdessen blickt die Inszenierung auf die gesamte Gesellschaft einer provinziellen Schwarzensiedlung, in der Menschen tiefgläubig selbst Krankheiten wegzubeten versuchen, während andere sich der Spielsucht, den Drogen und dem Alkohol hingeben. Wo Menschen von besseren Zeiten träumen, während ihre Armut unüberwindbar erscheint. Und wo eine Bess am Ende doch nicht den gesellschaftlichen Halt findet, den sie sich so sehr wünscht, und für den sie sich sogar auf Porgy einlässt, den verkrüppelten Bettler, nachdem alle anderen ihr keinen Unterschlupf gewährten.

Großartig lässt Morenike Fadayomi als Bess in einer Arie mit Porgy ihre Zweifel am Liebesbekenntnis mitschwingen. Und ebenso hervorragend spielt auch Chauncey Packer ihren Verführer und Drogenhändler ganz im Stil von Cab Calloway als Mischung aus Clown und Dandy. Doch so wie die Liebesgeschichte wieder im Kleinstadtleben verschwindet, sind auch solche Einzelleistungen nur ein kurzes Flimmern in einem noch beeindruckenderen Chor. Mehr als 50 Stimmen erheben sich da zu einem Stück, das den Jazz zwar verinnerlicht hat, aber letztlich doch bleibt, was es ist: eine romantische Oper.

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