Oper:Feuerwerk und Außenborder

'Carmen' Rehearsal For Bregenz Festival

Eine Tänzerin geht bei der Carmen-Aufführung in Bregenz am Bodensee mal kurz baden.

(Foto: Getty Images/Johannes Simon)

Bizets "Carmen" als Spektakel auf der Seebühne in Bregenz

Von Egbert Tholl, Bregenz

Mehr als die Hälfte lang bietet die Aufführung der "Carmen" bei den Bregenzer Festspielen ein lustiges Bild. Etwa 7000 Menschen sitzen in Regencapes gehüllt vor der Bühne auf dem Bodensee, sind ungeheuer friedlich, der Regen geht auf sie nieder, die Tropfen aufs Haupt übertönen die Leistung der brillanten Soundanlage, in der Ferne zucken enorme Blitze und man befindet sich in Andalusien.

Nein, eigentlich nicht, das liegt aber nicht am Wasser von oben und vor einem. Eigentlich schaut man auf eine Bühnenbild (Es Devlin) gewordenen Metapher, exzerpiert aus dem dritten Akt von George Bizets Oper, in welchem die Karten das Schicksal voraussagen. Man sieht zwei riesige Damenhände mit leicht abblätterndem Nagellack, die linke hält eine glimmende Zigarette und zwischen beiden Händen wölbt sich ein Bogen von Spielkarten, manche fallen zu Boden, manche sind schon gefallen und bilden die Bühne. Ein gefrorener Moment einer Aktion, die vom Schicksal und dessen Determination kündet. Seltsam nur, dass Regisseur Kasper Holten, früher Intendant in Kopenhagen und London, nicht vom Schicksal erzählen will, sondern von einer selbstbewussten, modernen, stolzen Frau. Und das gelingt ihm wunderbar, weil an diesem Premierenabend Gaëlle Arquez die Carmen ist.

Doch in der zweistündigen Kompaktfassung wird keine Geschichte erzählt, sondern eine Nummernrevue ausgestellt, die ihre starken Momente hat, die mit Effekten nicht geizt. Zum Einzug Escamillos - er kommt mit einem Außenborder - explodiert ein Feuerwerk, Artisten klettern zwischen den Karten in schwindelnder Höhe herum, Boote umkurven die Bühne, das Ballett planscht (ein bisschen unbeholfen) im Wasser, José ertränkt am Schluss Carmen im See - ein tolles Ende. Das Licht der Projektionen lässt die Karten fliegen, doch sie erzählen meist nur sehr Naheliegendes, Carmen ist Herz-Dame, José Kreuz-Bube.

Manchmal sieht man die Sänger auf ihnen riesengroß. Leider gelingt es Holten damit nur rudimentär, "Carmen" als stringente Geschichte zu erzählen. Der Kartenhaufen schafft keine Räume, jeder tritt auf, wo es grad passt. Aber das Publikum ist glücklich, weil die Wiener Symphoniker nach dem Regen unter der Leitung von Paolo Carignani mehr Feuer als das Feuerwerk haben, weil die extrem hartgesottene Arquez als Carmen jeden Aspekt der Rolle und der Partie voll erfüllt, weil Elena Tsallagova eine berührende Micaëla ist. Die Männer haben alle ihre Mühen, aber schließlich ist das das Stück der starken Frauen. Und die gibt es hier.

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