Oper:Die Lächerlichkeit des Krieges

Attila von Giuseppe Verdi Regie Peter Konwitschny

Krieger in Nöten: Attila (Nicolai Karnolsky) verliebt sich in die widerspenstige Gefangene Odabella (Helena Dix).

(Foto: Jutta Missbach)

Toller Hunnen-Comic: Konwitschnys "Attila"-Inszenierung in Nürnberg

Von Egbert Tholl, Nürnberg

Als die Inszenierung vor vier Jahren ihre Premiere am Theater an der Wien hatte, freuten sich die Kollegen darüber, endlich mal wieder Zeugen eines veritablen Theaterskandals geworden zu sein. Lustig muss es zugegangen sein damals in Wien, tumulthaft, und doch war die Premiere das Comeback des Regisseurs Peter Konwitschny. Sieht man nun dessen Inszenierung von Giuseppe Verdis "Attila" am Staatstheater Nürnberg, ist von Skandal nichts zu spüren. Statt dessen freut sich das Publikum, wenn auch manche ein bisschen verwundert sind, was der guten Laune keinen Abbruch tut.

Konwitschny hat den Humor entdeckt in dieser Verdi-Oper - und Dirigent Gábor Káli stellt ihn munter aus -, die selten gemacht wird, weil es einfach aus der Galeeren-Zeit des Komponisten noch einige andere Stücke mit eingängigeren Nummern gibt. Tatsächlich wirkt die Musik oft so, als mache sich Verdi hier einen Jux auf die Opernkonvention, allein schon in der Besetzung: Die beiden Hauptakteure, Attila der Hunnenkönig, und Ezio, der ehrgeizige Römer, sind Bass und Bariton, einen Tenor schrieb Verdi dann zwar auch hinein, aber der interessiert ihn offenbar gar nicht. Dies ist Foresto, Odabellas Liebhaber, der von ihr regelmäßig versohlt wird, weil sie ihn für einen rechten Hänfling hält - in Nürnberg leidet David Yim mit Verve, aber auch an Höhenproblemen. Odabella selbst, gefangene Prinzessin eines besiegten Volks, ist zwar eine Sopranpartie, hier stimmt die Konvention, ist aber kein Opfer und tritt mit einer solch stolzen Arie auf, dass sie den Hunnen das Fürchten lehrt.

Vor allem aber gibt es in Nürnberg zunächst die Ausstattung von Johannes Leiacker, die durchgeknallt genug ist. Den ersten Akt lang rasen die Hunnen mit selbstgebasteltem Kriegsgerät herum, als hätten sie eine Großküche geplündert; Töpfe dienen als Helme, man ficht mit Kochlöffel und Schneebesen, die von Odabella angeführten, weiblichen Gefangenen verdreschen ihre Wärter. Am Ende des ersten Akts dröhnt der Papst wie Mozarts Komtur aus dem Off; danach wird es zwar seriöser; das heißt aber nicht, dass Konwitschny die Ideen ausgehen: Comicsprechblasen erläutern einmal die verworrenen Konflikte.

Im Kern erzählt die Oper eine Dreiecksbeziehung: Attila liebt Odabella und erobert gern, Ezio will Italien für sich und paktiert gern, Odabella ist zwar mit Foresto verlobt, findet aber Attila toll. Die Dame ist bei Konwitschny Zentrum der Komik; Helena Dix hat eine unbändige Fröhlichkeit im imposanten Leib, spielt mit einer grandios kontrollierten Mimik und singt alle Männer mit Glanz in Grund und Boden. Dabei sind Nicolai Karnolsky (Attila) und Mikolaj Zalasinski (Ezio) echte Prachtkerle; Karnolsky verfügt über eine erstaunliche Höhe für einen Bass, Zalasinski hat nach der Pause eine umwerfende Szene: Da hat Ezio erfahren, dass er nach Rom zurückkehren soll und es vorbei ist mit seiner Feldherrenherrlichkeit, worüber er grimmig nachsinnt und schließlich vor dem Vorhang eine große Arie zum Lob des Krieges anstimmt. Peng, ein Schuss ertönt, er bricht zusammen, die Musik hält inne, er berappelt sich, setzt mitten in der Phrase wieder ein, singt wieder, wieder Peng . . .

Am Ende zeigt Konwitschny die Protagonisten als alte Deppen mit Rollator und im Rollstuhl, keiner und keine ist klüger geworden; nur der Rache steht inzwischen das eigene Zipperlein im Weg. Saukomisch! Gelächter über die Dummheit. Ein wunderbarer Abend.

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