Open-Air-Konzert:Von allen geliebt

Open-Air-Konzert: Atemlos durch die Nacht - die Sängerin Helene Fischer beglückt mit ihrem Konzert im ausverkauften Münchner Olympiastadion mehr als 50 000 Fans.

Atemlos durch die Nacht - die Sängerin Helene Fischer beglückt mit ihrem Konzert im ausverkauften Münchner Olympiastadion mehr als 50 000 Fans.

(Foto: API (c.) YO)

Ein kollektiver Mitklatsch-Rausch: Helene Fischer im Olympiastadion

Von DIRK WAGNER

"Auf der Autobahn mit 300 fahrn, sowas kann ich nur mit dir", singt Helene Fischer im ausverkauften Olympiastadion, und man fragt sich, ob es auch eine österreichische Version gibt, die das dortige Tempolimit berücksichtigt. Andererseits muss der Schlager seine Fans ja auch nicht in deren Realität abholen. Bühnenbild und Choreografie der "Cabrio-Version" des "Farbenspiel"-Programms bedienen lieber bundesdeutsche Urlaubsträume samt Strandbar und bewährter Tanzmusik.

Wenn Helene Fischer zum Sonnenuntergang-Motiv "Te quiero" singt, erinnert das dazugehörige Akkordeonspiel nur all zu sehr an Kaomas 1989er-Hit "Lambada". Und es fördert den Erfolg durchaus, wenn bewährte Hits von Abba oder Gary Rafferty in Fischers Liedern mitschwingen. Das verhehlt der Schlagerstar nicht einmal und schiebt in einer sich öffnenden Blüte stehend ihrem "So kann das Leben sein" eine tatsächlich sehr erhaben vorgetragene Coverversion von Bryan Adams "Everything I do, I do it for you" hinterher. In solchen Momenten mutiert der Schlagerstar beinahe schon zum Popstar, der nun aber mehr auffahren müsste als das zuvor bemühte Rock-Medley, das "Seven Nation Army" von den White Stripes mit Westernhagens "Sexy" und Grönemeyers "Männer" kombiniert. Die weibliche Interpretation jener Männersichten hätte genauso provokant geraten können wie Patti Smiths Reaktion auf Van Morrisons "Gloria".

Aber Helene Fischer will gar nicht provozieren. Sie will vielmehr von allen geliebt sein. Also schiebt sie völlig sinnfrei zwei weitere Gassenhauer in ihrem Rockmedley hinterher: "Sex on Fire" von den Kings of Leon und "Simply the best" von Tina Turner. Hauptsache, der Wiedererkennungseffekt bestätigt den Mitklatschimpuls, der bei den Zuschauern Ekstase suggeriert. Widersprüchliche Textzeilen wie "Wir sind mittendrin, tanzen heut mal aus der Reihe" beschreiben deshalb die Stimmung im Olympiastadion sehr gut. Denn weder Fischer noch ihre Fans wollen ernsthaft aus der Reihe tanzen. Sie genießen den Schutz der Gemeinschaft und bleiben lieber mittendrin, zumal sie mit dem Download einer App auf ihr Handy sogar Teil einer imposanten Lightshow sein dürfen. Die Vertragsdetails solcher von einem Unternehmen gesponserten App liest freilich niemand. Wen interessiert schon, was mit den so übermittelten Daten geschieht? In einer Welt, in der Helene Fischer dann auch noch durchs Stadion fliegt und wie ein singender Bungee-Jumper sogar im freien Fall den Ton trifft, kann einem ohnehin nichts passieren. Nicht einmal, wenn man mit Tempo 300 über die Autobahn brettert. Sinnvoll ist das zwar nicht. Aber es macht Spaß wie ein kollektives Besäufnis auf dem Oktoberfest.

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