Olympische Spiele bei YouTube:Kanal-Turnen für fast alle

Lesezeit: 2 min

YouTube zeigt tägliche Olympia-Zusammenfassungen im Netz. Aber nur in 77 Ländern. Dafür erfährt der Rest der Welt, wie sich Internet-Zensur anfühlt.

Christian Kortmann

Jetzt weiß man auch in Deutschland, wie sich Internet-Zensur anfühlt: Gibt man www.youtube.com/beijing2008 in die Adresszeile eines Browsers ein, so erhält man die Fehlermeldung: "This channel is not available in your country." Auf diesem Kanal des Videoportals werden während der Olympischen Spiele Zusammenfassungen der Sportereignisse gezeigt, allerdings nur in den 77 Ländern, in denen die Onlinerechte nicht im Besitz eines offiziellen Olympiasponsors sind. In Südkorea, Indonesien, Indien oder Nigeria wird unter dieser Adresse von Freitag an um Medaillen gekämpft.

Kanal voll: Die US-Synchronschwimmerinnen beim Training. (Foto: Foto: dpa)

"Zum ersten Mal in der Olympischen Geschichte, werden wir eine komplette globale Berichterstattung liefern", sagt Timo Lumme, Fernseh- und Marketingchef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). So würde "die Magie der Olympischen Spiele" auch "jüngere Generationen von Sportfans erreichen, die online ohnehin Unterhaltung suchen, sagte Lumme dem Wall Street Journal. Geplant ist eine tägliche Zusammenfassung von drei Stunden Länge. Live-Berichte wird es keine geben, was bei YouTube auch ein Novum darstellen würde. Während der Spiele sollen insgesamt 500 bis 800 Videoclips hochgeladen werden.

Weil der YouTube-Kanal in den USA wie in den meisten Industrieländern nicht verfügbar ist und damit der kaufkräftigste Markt wegfällt, werden die Werbeeinahmen relativ gering ausfallen. In diesem Fall gehe es weniger ums Geldverdienen als darum, die Reichweite der freien Berichterstattung über die Olympischen Spiele zu erhöhen, fügt Patrick Walker, der bei YouTube für Partnerschaften mit dem Mittleren Osten und Afrika verantwortlich ist, im Wall Street Journal hinzu. Weil es in den Ländern, in denen der Olympia-Kanal empfangen werden kann, nur relativ wenige Onlinenutzer gebe, rechnet man mit nicht mehr als 200 Millionen Zuschauern.

Die scheinbare Nichtkommerzialität der kurzfristig annoncierten Aktion rückt das IOC in ein golden-karitatives Licht. Ein bisschen wirkt das so wie ein Spiel an der Waage: Weil China die Meinungsfreiheit auf der einen Seite mit Internet-Zensur beschwert, legt das IOC auf der anderen Seite jetzt einen Barren YouTube-Gute-Laune auf. Doch in der Kooperation von YouTube und IOC lässt sich ebenso gut ein Testlauf dafür erkennen, wie in Zukunft in einem zersplitterten Markt die Zuschauerströme für exklusive Inhalte gelenkt werden können. Man hofft, durch gute Bildqualität im offiziellen Onlinekanal der Piraterie die Attraktivität zu nehmen. Schon 2004, bei den Spielen in Athen, bot man einigen Ländern freie Onlineübertragung an; 2006 in Turin waren es schon 23 Staaten.

Ein Rückblick in die Fernsehgeschichte zeigt, wie schnell solch unscheinbare Übertragungsversuche in den Vermarktungswahnsinn eskalieren: 1956, bei den Winterspielen in Cortina d'Ampezzo, wurden erstmals olympische Bilder außerhalb des Gastlandes übertragen. Momentan befinden wir uns auf dem Höhepunkt der televisionären Macht, doch darunter rumort das Netz. Schon bei den Olympischen Spielen 2012 in London könnte die Onlineübertragung ihren kommerziellen Durchbruch erleben. Zumindest in der zukunftsgerichteten Vermarktung hat das IOC die Zeichen der Zeit also erkannt. Was Jacques Rogge über China sagte, gilt auch hier: "Das Problem des Internetzugangs hätte sich nie stellen dürfen."

© SZ vom 7.8.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: