Olli Dittrich im Interview:"Ich dachte immer, die anderen sind besser"

Komiker Olli Dittrich ("Dittsche") spricht über Werbung, Parodien und sein Lebenswerk. Und hofft, dass sich "die Zeigefingerheber mal lockermachen".

Interview: Hans Hoff

Im Gewusel am Münchner Flughafen ist schon mancher verlorengegangen. Geschäftsmänner und Geschäftsfrauen in handelsüblichen Mode-Uniformen strömen wie die Sardinen durch das Kempinski-Airport-Hotel. Mittendrin steht einer, der mit seinem Rollkragenpullover überhaupt nicht ins Bild passt: Olli Dittrich. In München hat er sich einen DVD-Award für Dittsche abgeholt. Außerdem wird gerade sein Lebenswerk vorgelegt, eine DVD-Sammlung, die betitelt ist mit: Olli Dittrich 1987 - 2007. Lebenswerk? "Das wäre furchtbar", sagt Dittrich, 51, "das klingt, als gäbe ich morgen den Löffel ab."

Olli Dittrich im Interview: Olli Dittrich als Dittsche in der gleichnamigen Sendung des WDR.

Olli Dittrich als Dittsche in der gleichnamigen Sendung des WDR.

(Foto: Foto: WDR/Mathias Bothor)

SZ: Herr Dittrich, wie fühlt sich das an: Nachfolger von Oliver Pocher?

Olli Dittrich: Warum sollte ich das sein?

SZ: Pocher hat für denselben Elektronikmarkt geworben, für den Sie jetzt an jeder zweiten Bushaltestelle Reklame machen.

Dittrich: Harald Schmidt hat das doch auch mal gemacht, und der war ebenso wenig der Nachfolger von Pocher wie ich es bin.

SZ: Verkaufen Sie nicht Ihre Seele?

Dittrich: Das ist doch lächerlich, pardon. Die Rolling Stones werben für Microsoft und die Telekom, George Clooney wirbt für Martini und Kaffee, Dustin Hoffman und Sean Connery werben für milliardenschwere Autokonzerne. Der große Otto Sander leiht Eon seine Stimme. Niemand verkauft irgendwem damit seine Seele, die eigene Integrität und das künstlerische Werk werden dadurch auch nicht in Frage gestellt. Das mag man gerne so drehen wollen. Mich erinnert das an die Debatte um Bob Dylan, der Mitte der sechziger Jahre erstmals als Folkmusic- und Protestsänger eine E-Gitarre benutzte, die für kommerziellen Pop stand, und daraufhin als Verräter beschimpft wurde. Was für ein Unsinn.

SZ: Dylan hat aber noch über 40 Jahre gebraucht, bis er mit sich werben ließ.

Dittrich: Ja, der Bob, der alte Grübler. Ich konnte hier zeigen, was ich kann, mit einem hochprofessionellen Team, in einer Qualität, die ich mir in früheren Jahren beim Fernsehen oft gewünscht habe.

SZ: Muss ein Elektronikmarkt kommen und Ihnen eine Bühne bieten? Wir haben doch reichlich Sender.

Dittrich: Die Frage stellt sich so nicht.

SZ: Klar stellt sie sich.

Dittrich: Aber mir nicht. Es geht mir immer darum, etwas zu tun, was Qualität hat. In diesem Fall kann ich meine besonderen Fähigkeiten der Verwandlung zeigen. Wir haben die Figuren wochenlang akribisch vorbereitet, und mir ist von der Werbeagentur und dem Kunden sehr großer Respekt entgegengebracht worden. Das war eine so tolle Arbeit, die nun wirklich keiner Rechtfertigung bedarf. Nehmen Sie es als das, was es ist. Wer hinschaut, sieht tolle Filme.

SZ: Dass Geld keine Rolle spielt, ist schwer zu glauben.

Dittrich: Wenn man etwas Gutes gibt, muss es auch gut bezahlt werden, sofern Geld da ist. Ich mache an anderer Stelle auch Dinge umsonst. Das hält sich immer die Waage. Ich würde mich schämen, wenn ich nur mein Gesicht vermieten würde, ohne etwas Sehenswertes zu liefern. Wenn sich die Zeigefingerheber mal lockermachen würden, müssten sie zugeben, dass sie auch Spaß haben an tollen Werbespots, dass sie früher wahrscheinlich im Kunstkino Die Cannes Rolle angeguckt haben, 90 Minuten Werbefilme am Stück.

SZ: Gehören Ihre Spots auf die Cannes-Rolle?

Dittrich: Klar.

SZ: Warum ist Dittsche nicht dabei?

Dittrich: Dittsche hat in diesem Kosmos nichts verloren. Dittsche macht keine Werbung.

SZ: Sie haben die Figur herausgehalten, um sie zu schützen?

Dittrich: Er ist geschützt, denn er lebt ausschließlich in seinem Biotop. Das Format ist in meiner 35-jährigen Karriere ein ganz elementares Werk, eines, das mir sehr am Herzen liegt. Ich bin aber nicht nur Dittsche. Mich interessieren sehr viele Dinge. Das hat mir in jungen Jahren vielleicht im Wege gestanden, da habe ich mich verzettelt. Jetzt bin ich über 50 und denke: Das Publikum hat das sehr wohl begriffen, dass ich viele verschiedene Dinge kann, manche vielleicht sogar besonders gut, und dass mein Erfolg kein Zufall ist. Ich gebe mich immer hundertprozentig hin, Dittsche ist aber eben nur ein Teil davon. Und ich vermenge nichts, wo es nichts zu vermengen gibt. Bei Texas Lightning gelingt diese Trennschärfe ja auch ohne Mühe. Der Mann am Schlagzeug mit dem Cowboyhut hat mit dem Mann im Bademantel nichts zu tun.

SZ: Sie haben gerade eine DVD herausgebracht, auf der steht Olli Dittrich 1987 - 2007. Spiegelt das Ihr Lebenswerk?

Dittrich: Das wäre furchtbar, das klingt, als gäbe ich morgen den Löffel ab.

Auf der nächsten Seite holt sich Olli Dittrich als André Heller einen Kaffee.

"Ich dachte immer, die anderen sind besser"

SZ: Die DVD böte genügend Material für einen Nachruf.

Dittrich: Finden Sie das nicht etwas früh? Ich bin erst 51. Ich wollte mit der DVD einfach mal zeigen, was ich alles gemacht habe über die Jahre, auch Dinge, die ich lange versteckt habe. Dinge, die man auch kritisch beäugen kann, die ich lange für zu schlecht hielt. Ich war immer schon grüblerisch und dachte, dass die anderen sowieso besser sind.

SZ: Heute nicht mehr?

Dittrich: Ich sehe das heute mit einer viel größeren Entspanntheit. Mein künstlerischer Weg war von so vielen Versuchen begleitet, manche erfolgreich, andere waren totale Flops. Es ist eine Bestandsaufnahme. Ohne RTL Samstag Nacht oder Die Doofen, die ja ein grandioser trojanischer Schlag in der Unterhaltungsmusik waren, wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Trotzdem würde ich es heute so nicht mehr machen. Man entwickelt sich doch. Ich bin sehr stolz darauf, was Wigald Boning und ich mit den Doofen damals gemacht haben. Ohne ihn wäre ich gar nicht zum Fernsehen gekommen. Andererseits war es auch wichtig, dass wir Die Doofen rechtzeitig beendet haben, um künstlerisch weiterzugehen.

SZ: Was ist eigentlich der Reiz daran, in andere Figuren zu schlüpfen? Was ist der Reiz daran, beispielsweise André Heller zu sein?

Dittrich: Die Begabung, zu parodieren, löst zwangsläufig das Bedürfnis aus, es zu tun. Zuallererst muss mir die Person liegen.

SZ: Und Heller lag Ihnen? Verstehen Sie Heller?

Dittrich: Nö, ich weiß nicht, ob ich den verstehen muss. Es gibt nur die Überlegung, ob man da reinrutschen kann oder nicht. Ich sehe mir das Original an und schaue, was auf mich abperlt. Ich merke, dass es funktioniert, wenn ich mich in der Figur hundertprozentig verliere, wenn ich plötzlich jemand anderer bin, wenn ich auch in den Drehpausen derjenige bleibe und mir als André Heller einen Kaffee hole und nicht als Olli Dittrich. So geht es mir mit allen Figuren, die mir gut gelungen sind. Ich habe halt diese Veranlagung, sehr leicht die Eigenarten anderer aufzunehmen und wiederzugeben. Wenn ich zum Beispiel nach Bayern komme, fange ich automatisch an, "bairisch" zu reden. Fällt mir manchmal gar nicht auf.

SZ: Wie nähert man sich einem Adolf Hitler mit Ballerinas, der bei Mein Tanz im Tutu Ballettübungen macht?

Dittrich: Diesen kleinen Film habe ich auf die DVD genommen, weil wir ihn im ZDF bei Olli, Tiere, Sensationen nicht zeigen durften.

SZ: Es steht "Zensur" auf dem Beitrag.

Dittrich: In dieser Formulierung steckt ein Augenzwinkern. Wir haben das damals mit Wissen der ZDF-Redaktion gedreht, die aber am Schluss doch entschied: Das kommt nicht auf den Sender. Ich habe es zur zweiten Staffel noch einmal probiert und zwischenzeitlich sogar Michel Friedman ein Band geschickt und ihn um seine Meinung gebeten.

SZ: Was hat Friedman gesagt?

Dittrich: Er hat gesagt, man müsse da nicht empört sein, es sei harmlos und eher nicht lustig genug. Mir hat das Stück immer sehr am Herzen gelegen, weil wir das mit einer alten Federkamera gedreht haben.

SZ: Was wollten Sie mit Mein Tanz?

Dittrich: Wir wollten diese wagnerianischen Posen durch den Kakao ziehen, die Hitler ja völlig stupide eingeübt hat. Deren Lächerlichkeit überhöht zeigen. Vielleicht war ich auch zu naiv. Aber der Film hat durchaus seinen Platz in dieser Werkschau.

SZ: Auf Ihrer DVD ist auch ein Video des Popsängers TIM zu sehen. Das war das frühe Scheitern des jungen Olli Dittrich.

Dittrich: Das war ein sehr aufwendiges Video, das damals in England gedreht wurde.

SZ: Wie kommt man auf den Namen TIM?

Dittrich: Ich war damals ein großer Fan von Tim und Struppi.

SZ: Och.

Dittrich: Ja, so einfach ist das manchmal.

SZ: In der Sendung Beckmann hat sich Loriot, also Vicco von Bülow, als großer Fan von Olli Dittrich bekannt. Gibt es ein größeres Lob?

Dittrich: Das war eine ganz tolle Begegnung. Mich hat das außerordentlich verlegen gemacht.

SZ: Es ist ein Ritterschlag.

Dittrich: Ja, vielleicht.

SZ: Der von Loriot hoch gepriesene Komiker Olli Dittrich hat noch nie den deutschen Comedypreis erhalten. Ist das nicht auch ein Lob?

Dittrich: Keine Ahnung.

SZ: Einen Comedypreis hat doch fast jede Randbegabung bereits im Schrank stehen. Das heißt...

Dittrich: ... dass ich wahrscheinlich nicht lustig bin?

Olli Dittrich wurde als Imbissbuden-Philosoph "Dittsche" berühmt, der jeden Sonntag im WDR Fernsehen über seine Weltsicht doziert. Dittrich, 51, in Offenbach geboren, in Hamburg aufgewachsen, absolvierte früh eine Lehre zum Theatermaler. Mal wollte er Fußball-Profi werden, mal Musiker. Musiker ist er später tatsächlich geworden. Als Schlagzeuger der Countryband Texas Lightning nahm er für Deutschland am Eurovision Song Contest teil (2006). Im Fernsehen wurde Dittrich durch seine Auftritte bei "RTL Samstag Nacht", die ZDF-Reihe "Olli, Tiere, Sensationen" und als Außenreporter bei "Wetten, dass ...?" bekannt. Für seine Improvisationsauftritte mit Anke Engelke in "Blind Date" (ZDF) wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Nun erscheint seine erste "Biographie": eine DVD, auf der Olli Dittrich sein bisheriges Schaffen festgehalten hat.

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