OJ Simpsons Reflexionen zum Doppelmord:Wenn ich das getan hätte

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O.J. Simpson hat ein Buch geschrieben. Nach Darstellung seiner Verlegerin ist es das schriftlich verfasste Mordgeständnis. Der Autor spielt aber nur mit dem Konjunktiv und imaginiert die grausige Tat von vor 12 Jahren. Amerika ist erneut entrüstet.

Reymer Klüver

Nur 20 Sekunden läuft der Werbespot. Doch er beschäftigt die Nation. Viel zu sehen ist nicht. In Nahaufnahme das erstaunlich jung gebliebene Gesicht eines inzwischen fast Sechzigjährigen, das noch immer etwas von dem überheblichen Unernst hat wie damals im Gerichtssaal. Viel zu hören ist auch nicht. Nur der Satz, dass er sich einen Doppelmord nicht anders vorstellen könne, als dass die Opfer in ihrem Blut am Tatort lägen. Und dann ein gestammeltes ,,Nicht mehr weiter'', wobei der Mann ein Buch zuklappt und den Kopf abwendet.

In Nahaufnahme das erstaunlich jung gebliebene Gesicht eines inzwischen fast Sechzigjährigen, das noch immer etwas von dem überheblichen Unernst hat wie damals im Gerichtssaal. OJ Simpson wirbt für sein neues Buch. (Foto: Foto: afp)

Es ist Orenthal James Simpson, genannt O.J., einst Football-Held der Nation, der für sein neues Buch wirbt, das nach Darstellung seiner Verlegerin einem Geständnis gleichkommt, einem Mordgeständnis. Was nicht ganz stimmt. Es ist nur so, dass sich Simpson darin ausmalt, wie er den Mord an seiner geschiedenen Frau Nicole Brown und deren Freund verübt haben könnte. Simpson war 1995 trotz aller belastenden Indizien in einem Strafprozess freigesprochen worden, in einem Zivilverfahren später aber zu 33,5 Millionen Dollar Schadensersatz an die Hinterbliebenen verurteilt worden. Gezahlt hat er angeblich nichts.

,,Wenn ich es getan hätte'', lautet der Buchtitel. Aber der Konjunktiv reicht schon. Amerika wird heimgesucht von einem Verbrechen, das vor zwölf Jahren das Land aufwühlte wie kaum eines zuvor, und die Nation spaltete, weil die Opfer weiß waren, der Angeklagte aber schwarz war - und reich und ein Idol.

Die Fernsehnation hat wieder die Bilder vor Augen: die Flucht des mordverdächtigen O.J. Simpson in seinem weißen Ford Bronco, an deren Ende er sich den Behörden stellte. Und alles wurde live übertragen. Genauso wie der Freispruch der Geschworenen, als buchstäblich die Hälfte der Nation vor dem Fernseher hing. Da war der Fall längst zu einer Parabel dafür geworden, wie schwer sich dieses Land mit dem Erbe des Rassismus tut. Die Mehrzahl der Schwarzen war überzeugt, dass Simpson unschuldig war. Die meisten Weißen glaubten, dass er sich mit Hilfe der besten Anwälte Amerikas freigekauft hatte.

All das hatten die PR-Strategen bei Rupert Murdochs News Corp zweifellos im Kopf, als sie ihre Werbekampagne in dieser Woche starteten. Das Buch wird rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft im HarperCollins-Verlag erscheinen, der zur News Corp gehört. Das einzige Interview zum Buch mit Simpson wird ausgestrahlt von Fox TV, ebenfalls News Corp, Ende November nach Thanksgiving, dem großen Familienfest und genau zu der Zeit, zu der die Einschaltquoten entscheidend sind für die Werbeplaner im kommenden Jahr. Und bei Fox News, dem Kabelkanal, der ebenfalls Murdoch gehört, regt sich derweil der rechte Moderator Bill O'Reilly über die ,,beschämende'' Berichterstattung auf und behauptet, dass sein Sender mit Fox TV ,,nichts zu tun hat''. Was so nicht stimmt.

Wie vor zwölf Jahren ist wieder die Berichterstattung über die Berichterstattung fast so wichtig wie der Gegenstand der Berichterstattung. Und sie steht in der Kritik wie damals, als sich ein paar der helleren Köpfe Amerikas fragten, ob ein Gutteil der Medien nicht jeden Sinn für das richtige Maß verloren hatte, als sie tage-, ja wochenlang ohne Unterlass über den Mordfall berichteten. Verlieren sich die Medien jetzt nicht schon wieder? Unterstützen sie nicht den merkwürdigen Hang eines Mannes zur Selbstdarstellung und eine schamlose Werbekampagne für ein Buch, dessen Inhalt nach allem, was bisher bekannt ist, ebenso abgeschmackt sein dürfte? Die Präsidentin des Buchverlegerverbands, Patricia Schroeder, nennt das Ganze ,,widerwärtig''. Sie hoffe nur, dass sich Amerikas öffentliche Kultur den Spiegel vorhalte: ,,Das dürfte nicht ungesund sein.''

Doch das geht bekanntlich nur, indem man über die Dinge redet. Und so befragen sie auf allen TV-Kanälen nun die damals Beteiligten, einen nach dem anderen. Den Staatsanwalt, den Chef der Mordkommission von Los Angeles, Ermittler, die sagen: ,,Wir wissen, dass er es war.'' Und die Schwester des ermordeten Freundes von Nicole Simpson. Sie nennt Simpson einen ,,Narzissten, der sich entschlossen hat, einen Albtraum zurückzubringen''. Für 3,5 Millionen Dollar. Das ist das Honorar, das HarperCollins Simpson angeblich zugesichert hat.

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