Obama-Wahlkampfplakat:Was darf die Kunst?

Der Künstler Shepard Fairey verhalf mit seinem Plakat Obama zum Pop-Star-Image. Nun soll ein Gericht prüfen, ob das Bild geklaut ist.

Andrian Kreye

Viel wurde über die kulturelle Bedeutung von Barack Obama schon gesagt. Als "Hip-Hop-Präsident" gilt er sogar. Das hat er nun in dem Sinne eingelöst, dass er die große Frage, was Kunst eigentlich darf, ins Weiße Haus getragen hat. Für seine Wahlkampfplakate engagierte er den Straßenkünstler und Grafiker Shepard Fairey. Und weil der nach der Hip-Hop-Methode arbeitet, vorhandenes Material neu aufzumischen, stellt sich da nun die Frage, was Kunst eigentlich darf. Solange das eine Frage von Subkultur war, wurde sie meist gegen die Künstler entschieden. Ein Streit um Obamas bekannteste Wahlkampfplakate stellt die Frage nun aber auf höchster Ebene.

Obama-Wahlkampfplakat: Mit diesem Plakat von Shepard Fairey bestritt Obama seinen Wahlkampf.

Mit diesem Plakat von Shepard Fairey bestritt Obama seinen Wahlkampf.

(Foto: Foto: ap)

Im amerikanischen Wahlkampf des letzten Jahres gab es kaum ein Bild, das so im Gedächtnis blieb wie die Porträts des Kandidaten Obama, die durch das Überbelichtungsverfahren des Solarisierens zum schemenhaften Popmotiv reduziert wurden. Als Plakat, Aufkleber und schließlich als Titelbild des Nachrichtenmagazins Time stilisierten die Grafiken das Gesicht des Kandidaten zum Markenzeichen. Von dem Motiv mit dem Wort "Hope" unter Obamas Bild verkaufte sein Büro eine halbe Million Poster, um damit die Wahlkampfkasse aufzubessern. Doch da gibt es ein Problem. Das Bild war geklaut. Das sagt zumindest die Fotografin Mannie Garcia, die das Foto geschossen hat, das den Plakaten als Vorlage diente. Das war bei einem Dinner des National Press Club im Jahr 2006.

Shepard Fairey ist in den USA eine prominente Figur. Der ehemalige Skateboardkünstler feiert dieses Jahr seinen Einzug in den Kanon der zeitgenössischen Kunst. Das Institute of Contemporary Art ICA in Boston widmet ihm derzeit seine erste Museumsretrospektive (bis zum 16. August, Info: www.icaboston.org). Dazu erschien gerade seine Monografie "Obey" in einer erweiterten Neuauflage ("Obey: Supply & Demand, The Art Of Shepard Fairey", Gingko Press, San Francisco 2009. 446 Seiten, 49,90 Euro). Und das umstrittene Obamaporträt wurde im Januar von der National Portrait Gallery in Washington erworben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Fairey für seine Generation wichtig ist.

Was darf die Kunst?

Faireys Aufstieg zum wahrscheinlich wichtigsten Künstler der Hip-Hop- und Postpunk-Generation begann vor zwanzig Jahren auf den Straßen von Providence. Als Student der Rhode Island School of Design begann er, das Porträt des Ringkämpfers André "the Giant" Roussimoff als solarisierte Schwarzweiß-Schablone mit dem Wort "Obey" (gehorche) auf Mauern, Bauzäune und Laternenmasten aufzukleben. Was als Spielerei begann, wuchs sich Anfang der neunziger Jahre zu einer globalen Kunstkampagne aus. Fairey klebte und verteilte die Vorlage weltweit, bis aus dem Mopsgesicht des Ringkämpfers eine Art Markenzeichen geworden war. Weil Fairey seine Bilder aber nach der Methode der Graffitikunst ohne Genehmigung im öffentlichen Raum anbrachte, wurde er immer wieder verhaftet und wegen Sachbeschädigung zu Geldstrafen verurteilt.

Punk-Ästhetik

Blättert man durch Faireys Monografie, dann erschließt sich schnell, warum der heute 38-jährige Grafiker für seine Generation ein so epochaler Künstler wurde. In seinen Drucken, Wandgemälden und Aufklebern treffen sich die Bildsprachen der Pop Art, der Propagandakunst , sowie die Ästhetik von Punk und Hip-Hop. Dabei bedient er sich jedes Mal ganz eindeutiger Quellen.

Ausgangspunkt seiner Arbeiten sind Fotografien, die er durch Solarisierung zu Silhouetten reduziert. Diese Technik benutzte das politische Grafikkollektiv OSPAAAL im Kuba der sechziger Jahre genauso wie Andy Warhol in seinen Serigraphien. Warhol mag der Übervater sein. Faireys "Obey"-Drucke und -Plakate gelten sogar als die "Campbells Soup Cans" seiner Generation. Was ihn vom sarkastischen Warhol unterscheidet, ist jedoch seine Verarbeitung politischer Botschaften. Da verklärt er auf der einen Seite die Bildklischees der Revolutionen im letzten Jahrhundert mit den Verfremdungen der Köpfe und Figuren von Kommunistenführern, Bürgerrechtskämpfern und Guerillas. Auf der anderen Seite sind seine Grafiken Angriffe auf die Bildsprache der Markenwelt ganz im Sinne des Culture Jammings und von Naomi Kleins Konsumkritik "No Logo".

Der Bürgerrechtskampf wird zum Popklischee

Viel Kritik hat er schon einstecken müssen. Er reduziere das revolutionäre Moment linker Politik und des Bürgerrechtskampfes zum Popklischee, heißt es oft. Und auch sein allzu freizügiger Umgang mit dem Urheberrecht wurde ihm nicht erst im Streit um das Obamaposter vorgeworfen. Die Essenz seiner Arbeit aber ist das Leitmotiv seiner Generation, die im postideologischen Zeitalter nach dem Ende des Kalten Krieges aufwuchs.

Fairey stellt mit seinen Bildern Fragen und er stellt vor allem Allgemeingültiges in Frage. Ist die Figur des Revolutionärs als Popgrafik denn noch eine politische Größe oder letztlich nur eine weitere Chiffre im Vokabular einer Popkultur, die seit dem Beginn des Hip Hop alles und sich selbst immer wieder aufs Neue historisiert? Funktioniert der Mechanismus des Markenzeichens in der Kunst als Wertschöpfung oder als Sabotage der Kunstschöpfung selbst? Ist in diesem Kontext das Quellenmaterial Teil der Wertschöpfung oder lediglich das zu dekonstruierende Zitat?

Fairey hat schon oft kommerziell gearbeitet. Er hat mit 14 Jahren Skateboards gestaltet, hat für Buchverlage, Zeitschriften und die Rapgruppe Public Enemy Cover entworfen. Er hat auch politische Kampagnen designt. Für die Umweltorganisation Sierra Club und ein Hilfsprojekt für Darfur. Mit seiner Arbeit für Obama hat er allerdings die Seiten gewechselt. Darf er nun für eine Arbeit "Fair Use" beanspruchen, die mehrere Millionen Dollar für eine Präsidentschaftskampagne erwirtschaftet hat? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Kunst und Propaganda, zwischen Engagement und Machtpolitik? Doch auch da bleibt sich Fairey treu. Er ist für die Fragen zuständig und nicht für die Antworten. Ob es zum Prozess kommt, prüfen jetzt erst einmal die Anwälte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: