Nutzung leerer Gotteshäuser:"Hände weg von meiner Kirche"

Grande Mosquée de Paris

Würde in ihr Platz gemacht werden für Christen? Die Große Pariser Moschee (Grande Mosquée de Paris).

(Foto: dpa)

Warum eigentlich verwandelt man leere Kirchen nicht in Moscheen? Mit dieser Frage zog der Vorsteher der Großen Moschee von Paris große Empörung auf sich. Dabei findet ein Bischof die Idee gar nicht so schlecht.

Von Joseph Hanimann, Paris

Mit einer Bemerkung im Radio hat Dalil Boubakeur, der Vorsteher der Großen Moschee in Paris, im Frühsommer eine Debatte ausgelöst, die im Hochsommer anhält. Manche der leer stehenden Kirchen Frankreichs könnten doch angesichts des Mangels an Gebetsräumen für Muslime zu Moscheen umfunktioniert werden.

Eine Welle der Empörung schlug ihm entgegen, nicht nur von gläubigen Christen. Sie kam auch von islamischer Seite wie etwa von dem Blogger Al Kanz, der den Vorschlag für eine unnötige Provokation hält in einem dem Islam gegenüber ohnehin schon angeheizten Klima. Boubakeur, der zugleich Vorsteher des Zentralrats französischer Muslime ist, zog seine Anregung zurück. Doch die Polemik rollt weiter.

Unter dem Titel "Hände weg von meiner Kirche" brachte der Schriftsteller Denis Tillinac, ein Freund des ehemaligen Staatspräsidenten Chirac, im konservativen Wochenmagazin Valeurs actuelles einen Aufruf in Umlauf, der von den Intellektuellen Alain Finkielkraut und Pascal Bruckner, dem Unternehmer Charles Beigbeder und von diversen Politikern aus dem rechten Lager einschließlich des ehemaligen Staatspräsidenten Sarkozy mitunterzeichnet wurde.

Die Kirchtürme im Land seien Zeugen einer langen und komplizierten Bindung Frankreichs an Rom, heißt es darin. Mögen die Kirchen auch leer stehen, klinge doch im täglichen Angelusläuten die Erinnerung an diese Geschichte noch nach. Der Aufruf appelliert an die Katholiken wie an Agnostiker und Atheisten, dies bitte nicht zu vergessen.

Lieber Moschee als Kneipe oder Disko

Quittierten konservative Kreise Boubakeurs Anregung mit schroffer Ablehnung, zeigten andere sich offener. Die Religionen seien zwar nicht beliebig austauschbar, erklärte der in Marokko geborene Michel Dubost, er ist Bischof von Evry bei Paris und unter den französischen Bischöfen zuständig für interreligiöse Fragen. Wo eine Kirche aber wirklich keine Verwendung mehr finde, sei sie ihm als Gebetsort für Muslime lieber denn als Kneipe oder Diskothek.

Alle vor 1905, dem Jahr des Gesetzes zur Trennung von Religion und Staat, entstandenen Kirchen sind in Frankreich Eigentum des Staates oder der Gemeinden, die für ihre Erhaltung aufkommen. Sie können sie auch verkaufen. Trotz der oft hohen Restaurationskosten hängen die meisten französischen Bürgermeister aber an den insgesamt 45 000 Kirchen im Land und sind nicht bereit, sie zu veräußern.

Warum eigentlich nicht? Dies fragt nun der Schriftsteller Pierre Daum. Er weist darauf hin, dass die Verwandlung von Kirchen zu Moscheen kein Novum ist, wie man ja von Istanbul und Córdoba weiß. Nach dem Exodus der Algerien-Franzosen infolge der algerischen Unabhängigkeit im Jahr 1962 habe ja auch der Erzbischof von Algier darum gebeten, 400 der insgesamt 567 Kirchen zu übernehmen und für den islamischen Gottesdienst zu nutzen, schreibt Daum.

Das sei das falsche Beispiel, wenden nun andere ein, denn auch in der irakischen Stadt Mossul würden gerade unter der Herrschaft des IS christliche Gotteshäuser in Moscheen verwandelt. Der Einwand bestätigt, wie falsch der Zeitpunkt gewählt war für die an sich erwägenswerte Anregung des Vorstehers der Pariser Moschee.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: