Bayerische Staatsgemäldesammlungen:NS-Raubkunst: Das Museum mauert

Flur in Görings Landsitz Karinhall, 1938

Das wollten Witwe und Tochter wieder haben: Gemälde und Antiquitäten aus dem Besitz von Hermann Göring in Carinhall.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)
  • Bayerische Museen sollen Raubkunst an Familien hochrangiger Nazis verkauft haben.
  • Archivmaterial birgt Hinweise auf Geschäftsinteressen und Netzwerke.
  • Nun wird gefordert, dass die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ihre Unterlagen zur Provenienzforschung an das Bayerische Staatsarchiv überstellen - doch das will Generaldirektor Bernhard Maaz nicht.

Von Catrin Lorch

Im Archiv der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen liegt eine dicke beige Mappe, in der unter einem gelb markierten Reiter "Forderungen der Familie Göring" abgelegt sind. Der Inhalt muss als brisant gelten, seit bekannt wurde, dass die Deutschen Kunst, die ihnen von den Amerikanern aus den "Collecting Points" treuhänderisch übergeben worden waren, an die Familien ehemaliger NS-Größen verkauften.

Denn die Mappe belegt, wie eng sich in der Nachkriegszeit die Behörden mit Gattinnen, Söhnen, Töchtern und sogar geschiedenen Frauen der Ex-Machthaber ausgetauscht haben. Besonders peinlich ist die Kooperation mit Emmy und Edda Göring, Witwe und Tochter des im Jahr 1946 als Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilten Reichsmarschalls. Seiner Hinrichtung entzog er sich durch Suizid.

Generaldirektor Eberhard Hanfstaengl beschäftigte sich persönlich mit den Anliegen der beiden, als er sich am 30. Januar 1951 an das Bayerische Landratsamt für Vermögensverwaltungen wandte: Frau Göring benötige "drei Gardinen für das Zimmer, welches sie demnächst in der Wohnung ihrer Schwester in München bekommen soll". Er habe keine Einwände, schließlich habe sie die schon "vor ihrer Ehe als Schauspielerin in Weimar erworben". Dabei wird es nicht bleiben, Hanfstaengl wird den Görings beim Versuch assistieren, Kunstwerke zurückzuerhalten.

Die Commission for Looted Arts in Europe (CLAE) hat insgesamt 34 Werke gelistet, die von den beiden beansprucht wurden, darunter Gemälde von Guido Reni und Lucas Cranach. Ob sie Werke zurückerhielten, ist nicht belegt. Wie weit sie aber auf die Mithilfe der Behörden bauten, die eigentlich den Schatz verwahren sollten, überrascht.

Für die beiden Göring-Erbinnen ging es um viel: Der Schatz des ehemals zweiten Mannes im NS-Staat war gewaltig. Sein Landhaus Carinhall war als Privatmuseum angelegt. Göring, der schon vor der Machtergreifung eine großbürgerlichen Vorliebe für Altmeister pflegte, kaufte später auch Antiquitäten, Skulpturen, Silber. Obwohl Walter Andreas Hofer als sein persönlicher Händler galt, schaute er schon mal persönlich im Pariser Jeu de Paume vorbei, wo die vom berüchtigten Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in Frankreich zusammengestohlenen Kunstwerke gelagert wurden.

Die Vorbesitzer sollten gesucht werden

Die berühmten Nachrichtenbilder, auf denen die "Monuments Men" - die von George Clooney in einem Film geehrte Sondereinheit der Amerikaner - nach Kriegsende aus Bunkern Madonnen und goldgerahmte Leinwände schleppten, zeigen viele Stücke aus Görings Sammlung. Die Amerikaner restituierten viele Tausend Werke und übergaben im Jahr 1949 die Lager den Deutschen - mit der Auflage, weiter nach möglichen Vorbesitzern zu fahnden.

Allerdings: Vieles, das den Behörden als nicht "museumswürdig" galt, wurde bald verkauft, auch über Auktionshäuser. Mit dem Erlös wurden bedeutende Ankäufe finanziert, wie die "Frau mit Mandoline" von Georges Braques aus dem Jahr 1910.

Hinweise auf Geschäftsinteressen und Netzwerke

Die öffentlichen Auktionen werden in einem von den Staatsgemäldesammlungen herausgegebenen "Provenienzbericht" aus dem Jahr 2004 "Die Kunstsammlung Hermann Görings" geschildert, die als ehrgeiziges erstes Projekt viel Renommee einbrachte. Doch fehlt in der Aufarbeitung jeder Hinweis auf den regen Austausch der Generaldirektion mit Emmy und Edda Göring. Wie das Schreiben des Generaldirektors Eberhard Hanfstaengl im Juli 1951, demzufolge das "Knabenbildnis", das als Geschenk von Emmy Göring an ihre Tochter Edda Göring zu Weihnachten 1944 "als deren Besitz anzuerkennen ist".

Offensichtlich blieben die Behörden skeptisch, denn ein halbes Jahr später beschäftigt sich der Generaldirektor wieder mit dem Fall und teilt mit, dass gegen die Freigabe seinerseits "keine Bedenken bestehen". Erwerb und Herkunft des Gemäldes könnten "einwandfrei nachgewiesen werden". Womit? Dem Schreiben beigelegt ist eine Erklärung des Bruders Hans Sonnemann, der seiner Schwester 2000 RM geschenkt haben will und die Bestätigung des Kunsthändlers Walter Andreas Hofer, dass Frau Emmy Göring das "Knabenbildnis" für genau "RM 2000" von ihm erworben habe.

Wäre man nicht verpflichtet, in dem "Provenienzbericht" auf die eigenen Verstrickungen der Nachkriegszeit hinzuweisen? Forscher argumentieren, dass deutsche Museen sich nach der Washingtoner Erklärung in der Pflicht sehen, Museumsbesitz auf Raubkunst-Verdacht zu prüfen und zu restituieren. Doch bekennen sich öffentliche Museen darin auch zur Aufarbeitung und Transparenz.

Dieses Archivmaterial birgt Hinweise auf Geschäftsinteressen und Netzwerke. Selbst ein wenig spektakulärer Brief, in dem der Generaldirektor gegenüber dem Bonner Innenministerium erklären muss, wer die von Emmy Göring aufgefahrenen Zeugen sind, ist für Rechercheure ein unschätzbarer Hinweis.

Keine Hilfe aus dem Museum

Die CLAE, die entdeckt hat, dass ein von einer jüdischen Familie Kraus geraubtes Gemälde in der Nachkriegszeit aus den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen an Henriette Hoffmann, die ehemalige Frau des NS-Reichsstatthalters in Wien verkauft wurde, fordert, dass die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen, und das Material an das - öffentlich zugängliche - Bayerische Staatsarchiv überstellen.

Doch das Museum mauert: Man wolle die Unterlagen zur Provenienzforschung im Haus behalten, sagt Generaldirektor Bernhard Maaz der SZ. Aus der Sammlung Kraus konnten erst acht Werke lokalisiert werden. Wenn solche Dokumente in Datenbanken erschlossen und im Internet weltweit zugänglich wären, könnte man viele Wege der Raubkunst durch Sammlungen, Museen und Handel nachvollziehen.

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