Norwegischer Krimi:Blutiger Schnee

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Jo Nesbø: Blood on Snow. Der Auftrag. Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob. Ullstein Verlag, Berlin 2015. 192 Seiten, 12,99 Euro. E-Book 9,99 Euro. (Foto: ullstein verlag)

Jo Nesbøs neuer Roman "Der Auftrag" ist Thriller und Wintermärchen zugleich. Ein junger Mann macht eine Mördertour durch Oslos Unterwelt. Dafür, dass es dort sehr dunkel sein kann, hat Nesbø immer schon gesorgt.

Von Bernd Graff

Der Norweger Jo Nesbø ist einer der erfolgreichsten Krimi-Autoren der letzten Jahre, ein Autor der Düsternis, der den Hauptkommissar Harry Hole ersonnen hat und ihn in einem so brutalen Oslo ermitteln lässt, dass man es für eine in die Jetztzeit geholte Außenstelle der TV-Serie "Game of Thrones" halten könnte. Zehn Bände lang durchwatete der einsame Trinker Harry Hole alle erdenklichen Bluthöllen, dann verließ ihn die Kraft. Ihn wie wohl auch seinen Schöpfer.

Nesbø siedelte seinen nächsten Helden, einen "Sohn", als heroinabhängigen Insassen in einem Hochsicherheitsgefängnis an, aus dem er natürlich zu einem blutigen Rachefeldzug ausbricht. Nun hat Jo Nesbø wieder einen Krimi vorgelegt, Auftakt zu einer Reihe, deren einzelne Teile allerdings nur lose miteinander verbunden sein werden. Ende Februar erscheint schon die Fortsetzung, "Blood on Snow" ist die Serie betitelt.

Die erste Folge heißt "Der Auftrag", Leonardo DiCaprio hat sich die Filmrechte daran schon gesichert. Kein Wunder, der Stoff ist märchenhaft - wenn man denn die Abenteuer eines wenig zimperlichen, liebestollen Auftragskillers märchenhaft finden kann. Denn Nesbø schickt einen jungen Mann mit Lese- und Schreibschwäche auf Mördertour durch Oslos Unterwelt. Dort arbeitet er effizient, ebenso brutal wie präzise.

Im rekord-kalten Winter des Jahres 1977 ist dieser auch ein wenig tumbe Olav unterwegs. Doch er ist der zuverlässigste Mann im Team von Oslos größtem Drogenboss, ein Mann, der zudem die hauptstädtische Prostitution kontrolliert. Es gibt reichlich zu tun für Olav, und obwohl er gut bezahlt wird für seine Jobs, kommt er finanziell nicht aus dem Quark - weil er größere Summen an die Hinterbliebenen der von ihm Getöteten spendet.

Olav ist also auch ein bisschen blöd, aber nicht blöd genug, dies nicht zu wissen. So kapiert er natürlich auch sofort, was "der Auftrag", den er nun von seinem Boss erhält, tatsächlich bedeutet: Er soll die untreue Gattin des Chefs ermorden. Das wäre für Olav eigentlich kein größeres Problem, würde er sich nicht ausmalen, wie gefährlich das für ihn selber werden könnte. Alles wird aber noch viel, viel komplizierter, als Olav sich unsterblich in diese Chefgattin verliebt. Denn so, wie der Boss sich den Job vorgestellt hat, wird Olav ihn nicht ausführen können.

"Der Auftrag" ist kein typischer Nesbø. Schon deshalb nicht, weil er recht schmal ist und sich zügig wegliest. Was diesen Thriller besonders macht, ist die wackelige Gefühlswelt des Killers. So leistet sich der einsame Mörder sentimentale Anwandlungen, formuliert in tiefster Winternacht an einem Liebesbrief herum und stalkt einer Zwangsprostituierten hinterher. Und während Olav redselig aus seinem blutdurchtränkten Leben plaudert, wird klar: So, wie er es darstellt, kann es ganz sicher nicht sein.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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