Nicole-Kidman-Biographie:Sollte sie unartig gewesen sein?

Hollywood-Kenner David Thomson, offenbar in Nicole Kidman vernarrt, hat eine Biographie über die Schauspielerin geschrieben. Wie war das mit Tom Cruise?

Tobias Kniebe

Es gibt sicherlich fragwürdigere Genres auf dem Buchmarkt als die Hollywood-Starbiographie. Allerdings nicht viele. Befindet sich die erforschte Berühmtheit noch in der heißen Zone des Weltruhms, haftet dem Unternehmen gleich etwas doppelt Parasitäres an: Erstens ist es vollkommen offensichtlich, das hier schamlos mit der Popularität des Gegenstands gehandelt wird; und zweitens sind die Zugänge zur Wahrheit so streng bewacht, dass die interessanten Erkenntnisse allenfalls aus zweiter oder dritter Hand stammen.

Nicole Kidman Biographie

Da waren sie noch ein Paar: Kidman und Cruise in "Eyes Wide Shut".

(Foto: Foto: dpa)

So hat der unglückselige Autor genau zwei Möglichkeiten: Entweder wühlt er gewissermaßen in der Mülltonne vor dem Haus, als Abgesandter unserer kollektiven Missgunst; oder er bekennt sich resigniert zur niederen, hirnamputierten Existenzform des Hofberichterstatters.

Wie war das mit Tom Cruise?

Ein Buch, das schlicht "Nicole Kidman" heißt, steckt natürlich in diesem Dilemma. Denn ein paar neue Antworten dürfen und müssen, bitteschön, verlangt werden: Wie war das wirklich in der Ehe mit Tom Cruise? Was geschah in jener dramatischen Zeit, als eine Scheidung, eine Fehlgeburt und ein Karrieredurchbruch praktisch in eins fielen? Wie lässt sich erklären, dass diese Filmschauspielerin in einer Minute wie ein kichernder Teenager erscheint, in der nächsten aber eiskalt und vom Ehrgeiz zerfressen?

Was flüsterte ihr der alte Hexenmeister Stanley Kubrick ins Ohr, als er sich für ein paar Sexszenen mit ihr, einem gesichtslosen Körperdouble und der Kamera für sechs Tage ins Schlafzimmer zurückzog? Warum brauchte sie bis "Moulin Rouge", um ihre erste warmherzige Performance hinzukriegen? Und in welcher Weise hat der lachhafte Nasenhöcker, den sie als Virginia Woolf in "The Hours" trug, tatsächlich ihre Schauspielkunst befreit? Über diese Fragen spekulieren kann jeder - viel Spaß.

Nicht mit mir, sagt an dieser Stelle der 66-jährige britische Filmhistoriker, Kritiker und Autor David Thomson. Er gehört zu den angesehensten Schreibern seines Fachs. Kaum einer hat sich tiefer in die Annalen Hollywoods hineingewühlt, kaum einer kommt dem bizarren Cinephilen-Ideal des wandelnden Filmlexikons näher als er; sein gefeiertes Standardwerk, "The Biographical Dictionary of Film", umfasst mittlerweile mehr als 1300 Filmographien und Kurzbiographien. So einen Mann ruft Nicole Kidman tatsächlich an, um Fragen zu beantworten.

Zu gelangweilt

Aber das nützt am Ende alles nichts. Thomson ist längst zu alt, zu bekannt und von seinem eigenen Wissen auch zu gelangweilt, um die erniedrigende Rolle des Star-Biographen auch nur für eine Sekunde anzunehmen. Eigentlich will er längst selbst Regie führen. Zahlreiche ungedrehte Drehbücher lagern in seinem Schrank. Und schon seit Jahren tendieren seine klugen Beobachtungen dazu, immer mehr ins Phantastische abzudriften - Reportagen über Desperado-Regisseure, die es nie gegeben hat, über verschollene Filme, die allein seiner Phantasie entspringen, und über Star-Begegnungen, die nur in seinem Kopf stattfanden, sind ein Teil seines Ruhms.

Warum aber hat sich Thomson dann zu diesem Buch überreden lassen? Weil er ganz offensichtlich in Nicole Kidman vernarrt ist. Er sieht sich, man kann es kaum anders sagen, als ihren väterlichen Freund, ihren gestrengen Mentor, als eine Art Sexpartner im Kopf. Genauso imaginiert er Kidmans Verhältnis zu Stanley Kubrick, und nun, da Kubrick tot ist, gibt es nur einen, der diese Rolle ausfüllen könnte: Thomson selbst. Dass seine Begegnungen mit der Diva dabei nur im Kino stattfinden - sie auf der Leinwand, er davor - tut wenig zur Sache.

"Brüste in Kommaform"

Thomsons Blick erfasst alles, "das rötlich ockerfarbene Schamhaar", die "Brüste in Kommaform", die "knabenhaften Hüften". Er gibt seiner Muse Feedback, mal begeistert, mal brutal. Er sorgt sich um ihr fortschreitendes Altern, ihre "kurzen Flirts mit Gnadenfrist", ihre vielleicht zu glatte Stirn. Sollte sie unartig gewesen sein und das Kosmetikgift Botox gespritzt haben? Drei Seiten lang philosophiert er über diese Frage, aber er weiß es natürlich nicht, und nachgefragt hat er auch nicht.

Stattdessen inszeniert er jene ihrer Filme, die nicht ganz gelungen sind (also beinahe alle) im Kopf noch einmal neu. Und endgültig in Ekstase gerät der Autor, wenn er Kidman in Szenen beschreibt, die er als einziger Zeuge überliefern kann - zum Beispiel in einem verschollenen Remake von Hitchcocks "Rebecca" unter der Regie von Roman Polanski. "Muss man gesehen haben", lautet das euphorische Urteil - und ein unschuldiger Fan, der vielleicht nichtsahnend zu diesem Buch greift, wird keinen Hinweis darauf finden, dass es diesen film maudit natürlich gar nicht gibt.

Ist das nun großartig und wunderbar erkenntnisreich? Bizarr weitschweifig, unfassbar selbstbezogen und stellenweise absolut klebrig? Eine kalte Verhöhnung des ganzen Biographie-Gedankens oder ein reiner Cineastentraum mit Mut zur Lücke?

Sagen wir so: Es ist der doch sehr bewundernswerte Versuch, in eine aussichtslose Schlacht zu ziehen, wie ein Löwe zu kämpfen und zwar nicht in Würde zu verlieren, aber doch mit hocherhobenem Haupt. Mit einer Erkenntnis hat Thomson jedenfalls völlig recht: In einem zunehmend paranoiden Medienspiel, das nur noch endlose Banalitäten produziert, ist der einzige Ort, wo man einem Weltstar wirklich noch begegnen kann, die eigene Imagination.

DAVID THOMSON: Nicole Kidman. Aus dem Amerikanischen von Anke und Eberhard Kreutzer. Bloomsbury Berlin, Berlin 2007. 351 Seiten, 19,90 Euro.

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