Neues Magazin: "Missy":Männer müssen draußen bleiben

Trotz eines langweiligen Berichts aus dem Sexshop ist Missy die Frauenzeitschrift, auf die wir gewartet haben: feministisch, intelligent, anmaßend.

Barbara Vorsamer

Dass es mit der Gleichberechtigung nicht mehr so recht vorangeht, verwundert bei einem Blick in hiesige Frauenzeitschriften nicht: Durch den Konsum eines ewigselben Sumpfes aus Schminktipps, Starporträts und Psychogebabbel würden auch Männer verblöden.

Neues Magazin: "Missy": Schlau angezogen: Streberinnen-Mode.

Schlau angezogen: Streberinnen-Mode.

(Foto: Foto: Missy Magazine/ Silke Weinsheimer)

Die lesen so was aber nicht. Viele Frauen auch nicht. Sie warten spätestens seit dem Niedergang der Emma zum Sprachrohr von Alice Schwarzer auf ein Magazin, das intelligenter ist als Joy, kritischer als Cosmopolitan, feministischer als Neon und politischer als Intro.

Missy will diesen Anspruch erfüllen. Das nach eigener Aussage feministische Magazin für "Popkultur, Politik und Style" ist nun zum ersten Mal erschienen - und das klar strukturierte Cover sieht aus wie seine Zielgruppe: Die intelligente, selbständige Frauen von heute, die zwar Wert auf ihr Äußeres, aber noch mehr Wert auf Kompetenz und Inhalt legt.

Doch Inhalte verkaufen sich immer noch besser mit einer gehörigen Portion Sex, das wissen auch die Macherinnen des Blattes: Chris Köver, Stefanie Lohaus und Sonja Eismann. Vermutlich deshalb gibt es also auch hier einen Kamasutra-Test, wie er in Joy nicht anders aussehen würde. In der Rubrik "Untenrum - Neues aus der Intimzone" geht es um Aufklärung von Mädchen, Pornos für Frauen und Sexspielzeuge.

Apropos Sexspielzeug: Für den Bericht über einen Vibratorkauf hat die Redaktion eine ganze Seite freigemacht. Leider hat dieser Text aber Schülerzeitungsniveau und keinerlei Informationsgehalt, abgesehen davon, dass die Autorin erzählt, beim Betreten des Sexshops Herzklopfen zu haben. Ein weiterer Wermutstropfen ist die Anzeige daneben. Sie wirbt für einen Vibrator.

Nicht einmal im Politik-Teil bleibt Missy über der Gürtellinie und druckt eine zwar gelungene, aber leider zu kurze Reportage über Beschneidungen in Burkina Faso ab. Gemeinsam mit dem Porträt einer libanesischen Verlegerin war's das schon wieder mit der Politik. Die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU und das Gender-Budgeting schaffen es nur als nackte Nachrichten zwischen Kamasutra und die selbstironischen Modestrecke "Streberinnen-Outfits für den Herbst". Schade. Hier hätte frau sich mehr Hintergrund gewünscht.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Missy außer Sextipps und Strickanleitungen zu bieten hat, und warum Jungs nicht Gummitwist spielen dürfen.

Männer müssen draußen bleiben

Sehr schön ist dagegen "Vor uns", eine Porträtserie über Frauen, die hätten berühmt werden können, wenn sie keine Frauen gewesen wären. Das Beispiel ist Zelda Faye Fitzgerald, selbst Autorin und nur als Muse ihres Mannes F. Scott Fitzgerald ein Begriff. Heutzutage, spekuliert Missy, würde Fitzgerald "sich beim Ingeborg-Bachmann-Preis einen Eimer Schweineblut übers Gesicht gießen, eine ihrer sich rasend überschlagenden Geschichten vorlesen und von der Literaturwelt als begnadete Chronistin ihrer Generation gefeiert werden".

Neues Magazin: "Missy": "Missys" Mamas: Chris Köver, Stefanie Lohaus und Sonja Eismann

"Missys" Mamas: Chris Köver, Stefanie Lohaus und Sonja Eismann

(Foto: Foto: Vera Tammen / Missy Magazine 2008)

Ironisch karikiert Missy klassische Frauenzeitschrift-Rubriken. So erklärt Textilkünstlerin Nina Braun in "How to knit your own Tierchen", wie frau ein Croissant mit Beinen strickt: "Nachdem du wiederum die gleiche Anzahl Maschen abgekettelt hast, kommt der Schwanz - falls du überhaupt einen willst." Gekocht wird Birnen-Polenta-Tarte als passende Ergänzung zur Fernsehserie "The L Word". Und als Beauty-Tipp erfährt die Leserin: Wie klebe ich mir einen Bart?

Das ist in der Tat etwas anderes als die üblichen Frauenzeitschriften, die im Moment sowieso eher schwächeln: Gerade erst haben Glamour und Celebrity verkündet, dass sie ab sofort kürzer treten und ihre Erscheinungshäufigkeit reduzieren. Der Frauenzeitschriftenmarkt gilt in Deutschland als hart umkämpft.

Aber das gilt für die üblichen Frauenzeitschriften - und was geht das Missy an? Hier findet man statt Star-Getuschel Sammelkarten "unserer liebsten Feministinnen, zum ausschneiden, zusammenkleben, sammeln und tauschen", anstelle von Hiphop-Musiktipps lieber Neues aus dem Electric Ladyland (aka Internet), anstelle von Karriere-Tipps gibt es hier Ratschläge, wie man den Chef zum Schweigen zu bringt, und zu guter Letzt rundet ein sehr schönes Interview mit dem österreichischen Popwunder Anja Plaschg alias Soap&Skin das Erstangebot ab.

Dass Missy feministisch ist, wird nicht nur im Eltern-ABC deutlich, in dem das Stillen als Emanzipationshindernis par excellence gegeißelt wird. Der Kulturteil empfiehlt Musik von Barbara Morgenstern, Grace Jones und Kate Perry, die rezensierten Bücher sind von Martha Cooper, Julia Zange und Cornelia Jönsson. Fällt was auf? Alles dreht sich ausschließlich um Frauen. Auch für das Blatt selbst dürfen explizit nur Autorinnen schreiben.

Was im ersten Moment anmaßend anmutet (darf ich als emanzipierte Frau etwa keine Texte von Männern lesen?), erklären die Macherinnen mit einem Vergleich: Ein Spielplatz ist zu 80 Prozent von Jungs besetzt. "Sie sitzen auf der Schaukel, der Wippe, dem Klettergerüst, blockieren die Rutsche und den Sandkasten. [...] Missy ist so etwas wie unser Gummitwist, reserviert nur für Mädchen."

Den haben wir dringend gebraucht. Bei aller Kritik an der ersten Ausgabe: Missy ist ein Magazin, das es schon längst hätte geben müssen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: