Neues Album von Natalie Imbruglia:Sei ein Mann

Natalie Imbruglia: "Male"

So sieht es aus, wenn Natalie Imbruglia auf Mann macht: Pressefoto zu ihrem neuen Album "Male".

(Foto: Pierre Toussaint)

Natalie Imbruglia covert jetzt Männersongs. Sie klingt dabei mal wie die langweilige kleine Schwester von Kate Bush. Und mal grandios.

Von Johanna Bruckner

Wer war das noch mal?

1997 sang eine 22-jährige Australierin: "Da, wo er sonst immer lag, ist nichts mehr. Unser Gespräch ist verstummt, das ist los. Nichts ist in Ordnung, ich fühl' mich zerrissen." Sie tat das mit so klarer, verletzter Stimme, dass große Teile der westlichen Welt in Plattenläden oder -abteilungen liefen, um dieses Lied zu kaufen. "Torn" von Natalie Imbruglia. Der Song blieb fast 20 Jahre lang der meistgespielte Titel im australischen Radio.

"Torn" spiegelte den Zeitgeist der Endneunziger wider: Im Video gab die Sängerin zwar noch das Skatergirl mit Baggyhose und übergroßer Kapuzenjacke. Aber Popmusik musste nicht mehr knallen, sondern durfte musikalisch wieder leicht sein, und inhaltlich ernsthaft. Dass Natalie Imbruglia große blaue Augen hatte, die so wunderbar zu den Zeilen passten, schadete sicher auch nicht. Das Kleinmädchen-Motiv funktioniert schließlich unabhängig von Zeit und Geschmack - nutzt sich allerdings auch schnell ab. Noch vor der Jahrtausendwende galt Natalie Imbruglia als One-Hit-Wonder.

Was gibt's jetzt zu hören?

18 Jahre nach "Torn" hört sich Natalie Imbruglia immer noch an wie damals, zumindest stimmlich. Und man erkennt sie auch sofort wieder, beim Blick aufs Albumcover. Diese Unverwechselbarkeit könnte toll sein, ist es aber nur stellenweise. Doch dazu gleich mehr.

"Male" ist das vierte veröffentlichte Studioalbum, das die Australierin seit ihrem Debüt "Left of the Middle" (1997) veröffentlicht hat - und die erste neue Platte seit sechs Jahren. Selbstgeschrieben ist trotzdem kein einziger der zwölf Titel: Imbruglia interpretiert Songs männlicher Künstler neu. "Friday I'm in Love" von The Cure, "Let My Love Open the Door" von Peter Townsend, "Only Love Can Break Your Heart" von Neil Young. Das Thema wäre gesetzt, die Liebe, und auch das Ziel dieser Platte scheint klar: endlich wegkommen vom Image der Kleinmädchen-Sängerin, das ihr seit "Torn" - übrigens auch ein Coversong! - anhaftet. Nur funktioniert das am Ende nicht, weil die Stimme der heute 40-Jährigen allzu oft noch süßlicher klingt als vor knapp 20 Jahren.

Beispiel: "Instant Crush", die erste Singleauskopplung. Im Original von Daft Punk feat. Julian Casablancas liegt Casablancas Stimme schludrig-gelangweilt, manchmal kaum verständlich über dem Beat und gibt der bittersüßen Sommerliebe eine vielleicht nur scheinbare Nonchalance. Imbruglia sagt, sie habe diese "schöne Liebesgeschichte" hörbar machen wollen. Und so singt sie den Song mit ihrer glockenklaren Stimme, die sie im Refrain in eine anklagende Höhe schraubt, die an Kate Bush erinnert. Oder zumindest an deren kleine, langweilige Schwester. Denn so wenig Imbruglia Casablancas Ambivalenz rüberbringt, so wenig hat sie die grandiose Eindeutigkeit von Kate Bush, die dann auch mal über die akustische Schmerzgrenze hinausgehen darf.

Ist ein "Torn"-Moment drauf?

Ja, und das Wunderbare ist: Imbruglia hört sich bei "The Summer" an wie Imbruglia, nur gereifter, vielschichtiger, besser. Wenn Männer über die nur 1,62 Meter große Sängerin schreiben, werden gerne Begriffe wie "feenhaft" bemüht - bei diesem Josh-Pyke-Cover ist man geneigt zuzustimmen. Mit zuckrigem Stimmchen singt sie die ersten Zeilen: "If I could bottle up the sea breeze/I would take it over to your house/And pour it loose through your garden". Das klingt nach hilflos romantischem Feenmädchen.

Tut nicht im Ohr weh, sondern im Herzen

Doch dann, im Refrain von "The Summer", wird die Stimme kräftiger, geht hoch, und das tut nicht im Ohr weh, sondern im Herzen: "We should be living like we lived that summer". Und ein Frauenchor antwortet ihr: "I wanna live like we lived that summer". Wenn Natalie Imbruglia eine Fee ist, dann Peter Pans Freundin Tinker Bell: liebestoll, unvernünftig loyal, aber mutig in ihren Gefühlen. "But time is like the ocean/You can only hold a little in your hands".

Es gibt noch zwei weitere Momente, die hörenswert sind. Aus The Cures "Friday I'm in Love" hat Produzent Billy Man, der schon Songs für Michael Bolton und P!nk schrieb, eine astreine Country-Nummer gemacht. Inklusive Kontrabass und Banjo, Geklatsche und Salon-Geschrei - mit einem Wort: "Yee-haw!" Überhaupt ist Imbruglia dann am besten, wenn sie Stoff geben darf, wie bei Peter Townsends "Let My Love Open the Door": Die ersten Töne erinnern noch an das Sandmann-Intro, doch dann treibt Marschmusik das Lied voran, darüber liegt unaufgeregt und cool Imbruglias Stimme.

Größter Nervfaktor?

Man kann von Feenstaub auch einen Zuckerschock bekommen. Bei zu vielen Stücken ist Imbruglias Stimme einfach nur süß und naiv, aus schönen Liebesliedern werden so Kitschnummern. Abwechslungsreich ist das auch nicht, man höre sich nur mal die Anfänge von "I Will follow You Into the Dark", "Naked As We Came", "Goodbye In His Eyes" und "The Wind" an. "Male" ist der perfekte Sountrack für einen Sonntagsbrunch: Auf Hintergrund-Lautstärke gedimmt bringt einen die Platte in angenehm döselige Stimmung - und die Musik ist nie so dominant, dass man das befriedigende Klangerlebnis beim Ei-Köpfen nicht mehr wahrnehmen würde. Ach ja, und das Schokonusscremebrötchen spart man sich auch.

Beim Cover-Hören wiederentdeckt?

"Cannonball" von Damien Rice. Diese Zeilen ... "Stones taught me to fly/Love, it taught me to cry/So come on, courage/Teach me to be shy".

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