Neues Album der Fanta 4:Die Freiheit der Schlümpfe

Mehr Rap-Talent mit Langzeitwirkung hat es in Deutschland nie gegeben: Das neue Album "Fornika" vereint entspannte Stilvielfalt und Monty-Python-Humor. Mit Videoclip.

Ralf Niemczyk

Das System Die Fantastischen Vier ist zurück: der Andy, der Michi, der Smudo und der Thomas. Dazu Manager Andreas, genannt der Bear, der sich seit Urzeiten um die Geschäfte kümmert. Diese schwäbische Musikbruderschaft, die längst unter dem Kürzel Fanta 4 firmiert, ist umgeben von bewährten Helfern. Etwa vom Soundmixer Thomilla, vom Trommler Flo(rian), dem Sänger Max (Herre) oder auch der Band Nosé.

Fantastischen Vier Fornika Album

Die Fantastischen Vier: And. Ypsilon, Michi Beck, Thomas D. und Smudo.

(Foto: Foto: Four Artists)

Sie alle haben ihren Teil beigetragen zum siebten Fanta-4-Album "Fornika". Und selbst der Titel der Platte geht auf einen ehemaligen Mitarbeiter ihres Labels zurück, in dessen Wohnung einst die ersten Skizzen zum vorletzten Album "4:99" entworfen wurden. Ein herbeigerufener Pizzabote hatte damals dessen Nachnamen wohlklingend, aber komplett falsch notiert. "Fornika" statt Wernicke. Ein Treppenwitz der eigenen Geschichte ganz nach dem Geschmack von Andy, Michi, Smudo und Thomas.

Altersmilde Entertainer-Typen, aber voller Energie

Wer verstehen will, warum es Die Fantastischen Vier überhaupt wieder gibt, sollte sich die Bonus-DVD zur aktuellen Platte anschauen. Im dokumentarischen Klamauk-Stil zeigt "Road To Fornika" wie sich vier Jungs um die vierzig wieder zusammenfinden, während sie auf einer Hütte in Vorarlberg herumblödeln. Mit Verve verarbeiten sie die eigene Realität, die sich längst meilenweit von den Ursprüngen einer holprigen, deutschsprachigen Adaption von Hip Hop entfernt hat. Die Ursprünge sind auch schon lange her.

Thomas D. und Michi "Hausmarke" Beck haben sich an Solo-Projekten versucht. Technologie-Verehrer Andy Y baute sein eigenes Tonstudio aus. Smudo wiederum fuhr als Privatier Autorennen. Wo die Generation der Rap-Enkel im stetigen Wettbewerb um harte Texte und kalkulierten Tabubruch steht, sind Die Fantastischen Vier nun altersmilde Entertainer-Typen, die voller Energie zur großen Las-Vegas-Revue ausholen.

Ihre visuelle Sprache im Video zur Single "Ernten was wir säen" mit ihren Typen-Nummer als Galeerensklaven oder Smoking-Dandies ist komplett von den gängigen Rap-Standards abgekoppelt. Das ist verschrobener Monty-Python-Humor statt Gangster-Verehrung. In ihren Reimen geben sich Die Fantastischen Vier dazu als bodenständige Millionäre, die es noch einmal krachen lassen wollen. Gemeinsam ist es eben doch am schönsten.

Die Fanta 4: Ein langlebiges Phänomen

Dabei sind Hip-Hop-Formationen eigentlich gar nicht für die Ewigkeit gemacht. Traditionell entstanden sie als regionale Phänomene zwischen New York und Los Angeles. Sie prägten mit ihren innovativen Sound- und Wort-Projekten zu jeder Zeit das Hier und Jetzt der amerikanischen Großstadtghettos. Old School, New School, Next School - mit jeder Erneuerungsbewegung zerfielen die US-Crews dann in ihre Bestandteile.

Die musikalischen Protagonisten wechselten oft ins Produzentenfach, wie etwa Eminem-Ziehvater Doc Dre, einstmals Mitglied der Westcoast-Rabaukentruppe NWA. Meist verschwanden die einstigen Stars jedoch in der Versenkung. Die Wiederbelebungsversuche von Grandmaster Flash and The Furious Five bis Run DMC blieben traurige Versuche aus dem retrospektiven Show-Kabinett. Run-DMC-Kopf Joseph Simmons oder Flavor Flav von Public Enemy versuchten sich als Pausenclowns im Reality TV.

Das wissen auch Die Fantastischen Vier, die Ende der achtziger Jahre als Jugendheim-Kumpel-Projekt vor den Toren Stuttgarts begannen. Mit dem Erscheinen von "Fornika" existieren sie nun 18 Jahre in unveränderter Besetzung und sind damit nach den Beastie Boys zur Zeit die zweitdienstälteste Rap-Truppe der Welt. Und das mit nur sieben regulären Studioalben.

Ähnlich wie die Beastie Boys nutzten sie Hip Hop bald nur noch als Basislager für stilistische Grenzüberschreitungen. Das reichte von den akustischen Aufnahmen für "MTV unplugged", die im Jahre 2000 in einer sauerländischen Tropfsteinhöhle mit Streicher-Begleitung eingespielt wurde, bis zum Kraftwerk-artigen Auftritt bei der Echo-Verleihung Ende März 2007, wo sie ihre Single "Ernten was wir säen" statt live auf der Bühne über Bildschirm-Anwesenheit aufführten.

Vereint: Fanta 4, Münchner Freiheit un Herbert Grönemeyer

Ausgerechnet die Band Münchner Freiheit sorgt bei diesem Song für die Hintergrund-Harmonien. Und Herbert Grönemeyer übernimmt den Refraingesang von "Einfach Sein". Deutlicher kann man gar nicht vermitteln: Wir sind längst raus aus dem inneren Hip-Hop-Zirkel! Da kann man Maskenrapper Sido ruhig cool finden, wie die Band in Interviews zu Protokoll gab, ohne sich auch nur einen Beat an der erfolgreichen Berliner Hartreim-Schule orientieren zu müssen.

Die nach all den Jahren gewonnene Freiheit wird auf "Fornika" über 13 Songs hinweg für diese breit angelegte Stilvielfalt genutzt. In der hüpfenden Kopfnicker-Nummer "Yeah, Yeah, Yeah" wühlen Die Fantastischen Vier in der Geschichte der Popkultur und reimen "Mary Prankster Trip" auf "scary Gangstershit". Beim instrumentalen Electro-Stück "Mission Ypsilon" rollt Soundspezialist Andy Ypsilon einen Sphärenteppich aus Funkbässen und Synthesizerschleifen aus.

Und "Ichisichisichisichisich" verweist auf den Klassiker der Hippie-Raptruppe De La Soul "Me, myself and I". Die Fantastischen Vier haben ihre Lektion mittlerweile so gut gelernt, dass sie in der finalen Ballade "Was Bleibt" ein melancholisches Liebeslied mit dem eigenen Abschieds-Szenario verknüpfen können: "Aus Dingen die enden, entstehen Legenden und machen uns groß, wir haben lange aneinander gehangen - und lassen jetzt los."

Doch soweit sind sie noch nicht. Die anstehenden Festival-Auftritte und die große Fanta-4-Tour in der zweiten Jahreshälfte wird ihren Fans die gewohnt routinierte Pop-Rock-Rap-Crossover-Party mit viel Schweiß und freien Oberkörpern bescheren, ganz so wie man es von ehrlichen Arbeitern gewohnt ist.

Eine Monopol-Stellung

Es gehört zum Vermächtnis der Fantastischen Vier, dass sie die deutschen Trüffelschweine des Mainstreams in der oft schwierigen Übersetzung des schwarzen Musikformats Hip Hop gespielt haben. Und damit reich geworden sind. Für ihre naiv-albernen Anfänge mit "Die da" setzte es harsche Kritik aus der Underground-Szenerie, die mit Hip Hop einfach mehr verband als tanzende Schlumpfmützen in der ZDF-Hitparade.

Doch seit die Band ihre musikalischen und stilistischen Fähigkeiten Mitte der Neunziger mit "Sie ist weg" und "Ein Tag am Meer" auf ein durchaus cooles Level hieven konnte, hatten die Hip-Hop-Puristen ihre Hasskappen wieder abgesetzt. Seitdem sahen sie Dutzende Rap-Hoffnungen kommen und gehen; um letztlich mit einer unaufgeregten Gewissheit die eigene Monopol-Stellung konstatieren zu können: Mehr Rap-Talent mit Langzeitwirkung hat es in Deutschland nicht gegeben. Kann es auch nicht.

Oder wie es in "Einfach Sein" heißt: "Wir wollen ´ne Formel für ewigen Reichtum - kriegen wir aber nicht. Harrison Ford oder Xavier Naidoo sind wir leider nicht."

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