Neues Album "Advanced Chemistry":Neues Beginner-Album: Kalauer für den Karneval

Beginner-Comeback ´Advanced Chemistry"

Derbe waren sie: Die Beginner Jan Delay, Dennis Lisk (Denyo) und Guido Weiß (DJ Mad).

(Foto: dpa)

Ihr Album "Bambule" war stilprägend für eine ganze Generation, jetzt sind die Beginner zurück. Doch in 20 Jahren hat sich im Deutschrap einiges getan. Fünf Fragen zum neuen Album.

Von Jens-Christian Rabe

Warum waren die Beginner eigentlich gleich noch mal wichtig?

Die ernste Antwort: Vor allem wegen "Bambule", das 1998 erschien. Das zweite Beginner-Album war eine der zentralen Platten in der sogenannten goldenen Zeit des deutschsprachigen Hip-Hop - nach den Untergrund-Pioniertaten in den späten Achtzigern und den ersten Massenerfolgen der Fantastischen Vier in den frühen Neunzigern. Damals war das Genre in Deutschland keine Subkultur mehr, sondern setzte sich als Mainstream-Jugendkultur durch. "Bambule" verkaufte sich sagenhafte 250 000 Mal und enthielt mit "Liebes Lied" sogar fast einen Top-Ten-Hit.

Mindestens so erstaunlich wie dieser Erfolg war aber, wie kundig und funky die Platte und besonders ihre Hits "Hammerhart" und "Füchse" produziert waren. Und wie clever und gewandt die beiden Rapper Eißfeldt und Denyo die notorisch unrunde deutsche Sprache um die Beats von DJ Mad und Produzent Matthias Arfmann herumbogen. Natürlich gelangen damals auch vielen anderen Rappern echte Höhepunkte des deutschen Raps - man denke nur an Fünf Sterne Deluxe, Freundeskreis oder Fischmob -, aber keiner von ihnen schaffte den Sprung vom Szene-Helden zur Galionsfigur einer neuen Musik.

Und was bitte ist die nicht so ernste Antwort?

Tja, die folgenden Zeilen aus "Füchse" zum Beispiel sind schon sehr, sehr, sehr gut, insbesondere wenn sie ein Jan Eißfeldt alias Eizi Eiz alias Jan Delay, der die markanteste Stimme des deutschen Hip-Hop besitzt, so unnachahmlich geschmeidig durch die Nase krächzt: "Eine Pfote am Mikro / eine auf den Tasten / ein Auge auf's Geschäft, eins im Plattenkasten / ein Ohr für's Rudel und eins für den Gegner /ein Tanzbein und ein Arschtreter." Da bekam man eine Ahnung davon, dass es womöglich auch außerhalb der USA erfolgreichen Hip-Hop geben kann, für den man sich nicht furchtbar schämen muss. Wenigstens nicht als braver deutscher Gymnasiast.

Und nun?

Jetzt gibt's - 13 Jahre nach der dritten Platte "Blast Action Heroes" - mit "Advanced Chemistry" im 25. Jahr des Bestehens der Band ein viertes Album. Zweifellos ist es wieder fein produziert. Andererseits ist die Platte so etwas Überflüssiges wie ein deutsches Retro-Hip-Hop-Album geworden, im Grunde klingt sie genau so samplefunkyfrisch wie die Beginner in den Neunzigern. Die Freunde von damals sind ja auch alle wieder dabei: Gentlemen, Samy Deluxe, Dendemann. Und alle zusammen versichern sich ausdauernd, wie derbe sie waren, sind und immer sein werden. Hamburg ist natürlich auch derbe. Die Gastauftritte der Rapper aus der Gegenwart, wie Haftbefehl oder Gzuz, und die gelegentlichen Elektro-Dubstep-Trap-Tupfer wirken da arg pflichtschuldig, Alibihaftbefehle. Das Album kommt einfach nicht von der Stelle.

Bester Moment?

Wenn der Hamburger Gangster-Rapper und Superproll Jonas Klauß alias Gzuz, der ein gutes Jahrzehnt jünger ist als die Beginner, im ersten Song "Ahnma" mit seiner trägen Superbass-Stimme zum Refrain ansetzt: "Was los, Digger, ahnma!"

Ahnma? Ahnma! Ahn das mal oder vielmehr: Stell Dir das vor! Allerdings ist das nicht als freundliche Bitte gemeint, sondern eher als energischer verbaler Klaps auf den Hinterkopf. Ganz grandiose Ergänzung des deutschen Rap-Slang. Aber auch symptomatisch, dass ihn die Beginner nicht selbst exerzieren, sondern das lieber einen jungen Kollegen machen lassen.

Die Band hat sich im Grunde kein bisschen weiterentwickelt. Der Erfolg hat sie offenbar so selbstgerecht gemacht, dass sie es nun für eine gute Idee hält, sich erstaunlich bierernst schaler Nostalgie hinzugeben wie in "Es war einmal..." oder Gratis-Kulturpessimismus wie in "Spam". Ist schon schlimm, dieses digitalisierte Leben, Gefühle sind zu Emoticons geworden: "Alles falsch, kalt und lieblos / iPhone 6 plus, Mensch sechs minus". Mehr fällt den Beginnern wirklich nicht mehr ein?

Bisschen traurig wird man da. Da bringen auch klassische Beginner-Wortspiele wie "Lambada Meinhof" oder "Rambo No. 5" nix - im Übrigen der beste, weil zeitgenössischste Song der Platte. Weil man einfach nicht mehr gnädig darüber hinweghören kann, wie merkwürdig überdeutlich und ungelenk Denyo rappt. In "Kater" kommt er erschreckend ironiefrei mit Zeilen um die Ecke wie dieser: "Aus meinen Mund kam nix außer Müll / und ich hab mehr Kohle verbrannt als ein Grill." Das sind Kalauer für den Karneval. Fehlt nur noch der Tusch.

Frisch aus dem Hausaufgabenheft herausgelabert hatte so etwas vor 20 Jahren einen gewissen Charme. Heute wirkt es nicht nur irritierend ignorant, sondern auch peinlich unbedarft. Wie ein Hochspringer, der heute noch im Schersprung über die Latte springt, dabei bei weitem nicht so hoch kommt wie die Konkurrenz, aber sich trotzdem für den Allergrößten hält. Der deutsche Rap mag sich nicht allzu schnell entwickeln, ein bisschen was hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten aber doch getan. Man höre nur "Eisen" oder "Gott sieht alles" eines neuen Gymnasiasten-Rappers wie Karate Andi.

Wird damit also dann irgendwer anderes glücklich als alle die, die damals mit auf dem Gymnasium waren und heute dieser Zeit gerne nachtrauern?

Tja. Womöglich nicht. Ahnen wir jetzt hier mal so.

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