Neuerwerbungen:Bleischweres Glück

Anselm Kiefer

Eine Geste, an der sich schon mancher Künstler gerieben hat: Anselm Kiefers "Occupations", 1969/2011.

(Foto: Charles Duprat / Bayerische Staatsgemäldesammlungen)

Die Pinakothek der Moderne hat mit Hilfe der Michael & Eleonore Stoffel Stiftung Arbeiten von Anselm Kiefer erworben und stellt sie nun in einer eigenen Präsentation vor

Von Evelyn Vogel

Wie ist das, wenn die Pinakothek der Moderne in Paris auf Shopping-Tour geht? Treiben sich die Museumsleute dann auf der Champs-Élysées herum und decken sich mit Haute Couture ein? Mitnichten. Ihr Ziel liegt in einem Pariser Vorort, wo der deutsche Maler Anselm Kiefer in den ehemaligen Lagerhallen eines Pariser Kaufhauses auf 36 000 Quadratmetern sein Atelier hat. Und statt wie erhofft mit einem Werk nach München zurückzukehren, haben sie - viele Gespräche und etwa zwei Jahre später - deren fünf im Gepäck: drei riesige Leinwandarbeiten, die größte 2,80 Meter auf 5,70 Meter, und zwei Glasvitrinen mit Installationen, eine davon vier Meter hoch.

Man muss sich das wirklich so bildlich vorstellen, um zu begreifen, was den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen da gelungen ist. Ein Museum, das, wie viele staatliche und städtische Institutionen, über einen Ankaufsetat von gleichsam Null-Komma-Null-Null verfügt, nennt nun ein Anselm-Kiefer-Konvolut sein Eigen im Wert von - tja, darüber herrscht Schweigen. Aber klar ist, dass der Geldgeber, die Michael & Eleonore Stoffel Stiftung, der die Pinakothek schon viele herausragende Werke und Werkgruppen zu verdanken hat, sich außerordentlich großzügig gezeigt hat. Auf dem freien Markt über des Künstlers Galeristen oder gar über eine Auktion gehandelt, wären die Neuerwerbungen aus Kiefers Atelier viele Hunderttausend, vermutlich sogar ein paar Millionen Euro wert.

Mit der Neuwerbung wird die einzige Kiefer-Arbeit ("Nero malt" von 1974), die die Pinakothek der Moderne bisher aus dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds in ihren Beständen hatte, zu einem Konvolut, das in der Pinakothek der Moderne nun für lange Zeit in einem Raum separat ausgestellt werden wird. Die Kuratorin Corinna Thierolf hat den riesigen Bildarbeiten viel Raum gewährt. Die Vitrinen - "Morgenthau" und "Die 12 Stämme" - bilden ein Paar, das gut miteinander harmoniert und die Präsentation wie Wächterfiguren nach hinten begrenzen. Rechter Hand hängt das Monumentalgemälde "Der Sand aus den Urnen" von 2009, das zu erwerben man damals zunächst nach Paris gefahren war. Eine Hommage Kiefers an den Dichter Paul Celan.

Links und an der Stirnwand begegnen sich die beiden Arbeiten der "Occupations"-Serie. Bleischwer im realen wie im übertragenen Sinne. Kiefer hat Fotografien aus seiner 1969 entstandenen Serie "Besetzungen", mit denen er damals für so viel Furore gesorgt hatte, auf Leinwand übertragen. In der Wehrmachtsuniform seines Vater hatte er sich, die Hand zum Hitlergruß erhoben, an verschiedenen Orten in Europa fotografiert. Ein Skandal ersten Ranges, der die bundesrepublikanische Verdrängungshaltung der Sechzigerjahre gegenüber der NS-Zeit herausforderte. Nun sind sie von Blei überzogen, das Spuren der Verätzung aufweist. Das Thema ist angesichts des wachsenden Rechtspopulismus in Europa aktueller denn je. Und Kiefers politische Werke sind es nicht weniger.

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