Neue Serie mit Alexandra Neldel: "Unschuldig":Deine blauen Augen machen mich so sentimental

Mit einer Serie über Justizirrtümer soll Alexandra Neldel Pro Sieben den erhofften Serien-Erfolg bringen. "Unschuldig" hat amerikanische Ästhetik und internationales Produktionsniveau - sie könnte es also schaffen.

Christopher Keil

Die deutschen Serien beschäftigen die deutschen Sender gerade gewaltig, das heißt, es beschäftigen sich natürlich Produzenten, Redakteure, Drehbuchautoren, Schauspieler, Geschäftsführer und PR-Dezernate damit. Denn nichts, was in den vergangenen Monaten und Jahren an Prime-Time-Serien probiert und gewagt wurde, interessierte das Publikum nachhaltig. Aus ganz unterschiedlichen Gründen schon deshalb, weil es einen Unterschied macht, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen oder privaten Sender handelt.

Unschuldig, © ProSieben/Jim Rakete

Vorbildlich und sehr amerikanisch: Rechtsanwältin Anna Winter (Alexandra Neldel) nimmt die Gerichts-Akten mit nach Hause.

(Foto: Foto: © ProSieben/Jim Rakete)

Beim ZDF zum Beispiel läuft Anfang Mai die zweite Staffel der Krimiserie "KDD" ("Kriminal Dauerdienst") an. In der ersten Staffel, die augenblicklich täglich im ZDF-Dokukanal wiederholt wird, schauten anfänglich über vier Millionen Menschen zu, am Ende nicht einmal mehr drei Millionen bei einem Marktanteil unter zehn Prozent.

In der rein kommerziellen Beurteilung würde "KDD" sehr wahrscheinlich eingestellt. Das größte Problem haben sich die Sender selbst geschaffen: Sie trauen sich nicht mehr die Etablierung neuer Formate zu und geben viel zu schnell auf oder dem Controller nach, der nur auf die Kosten und nicht auf die Kultur schaut. Und dabei reagieren die privatwirtschaftlichen Anstalten radikaler als die öffentlich-rechtlichen.

Amerikanische Serienästhetik

Das ZDF, das an der Grundversorgung teilnimmt und auch in der fiktionalen Programmgestaltung Qualität einbringen muss aus gebührenfinanziertem Selbstverständnis oder politischem Kalkül, hält an "KDD" fest - ein bisschen zu symbolisch, aber völlig zu Recht. "KDD" ist stilprägend für den modernen TV-Krimi.

Nun legt Pro Sieben den Zuschauern "Unschuldig" zur Abstimmung vor. "Unschuldig" ist ein an amerikanische Serienästhetik angelehntes Crime-Format. Eine Juristin, ein ehemaliger Polizist und ein Krebsforscher suchen sich in Berlin Fälle, hinter denen Justizirrtümer vermutet werden.

Über die Motive der von Alexandra Neldel gespielten Anwältin erfährt man umgehend sehr deutlich das Nötigste: Ihr Vater wurde zu Unrecht des Mordes verdächtigt, er erhängte sich und wurde posthum rehabilitiert. Die Tochter arbeitet also ihre Familiengeschichte ab.

Auch die zwei anderen behalten manches Private für sich. Der "Ex-Cop" (Pro Sieben PR) hat einen schweren Herzfehler, und sein Arzt macht ihm wenig Hoffnung. Der als Forensiker eingesetzte Wissenschaftler, ein Türke, hat eine viel zu glatte Oberfläche, sie wird brüchig werden.

Schicke Schauspieler

Die drei Hauptfiguren sollen ein paar Geheimnisse behalten, die erste Staffel zählt 12 Episoden, Pro Sieben hat die Drehbücher der zweiten bereits in die Entwicklung geschickt. In der vom Pro-Sieben-Sat-1-Konzern betriebenen Internet-Videothek Maxdome steht die erste Folge ("Hauptgewinn Tod") seit Tagen für 1,99 Euro zum Download bereit. Es gab Premieren in verschiedenen Städten, und Pro Sieben verschickte am Dienstag noch eine Liste erschienener Pressestimmen wie: "Schicke Schauspieler", eine Einschätzung von TV-Movie.

Möglicherweise muss man es so sehen: Für ein schickes Produkt kann man energisch werben. "Unschuldig" ist gutes deutsches TV, es sieht auch nur ein bisschen billiger aus als "Cold Case", "CSI" oder "Without a trace" - obwohl es mit sehr viel weniger Geld gemacht wurde. Berlin, die Metropole, in der die Unschuldigen einsitzen, wurde selten so schön gecastet. Clemens Schick ist als todkranker Bulle ein Partner auf Augenhöhe für Alexandra Neldel, die sehr klug spielt, nämlich reduziert, viele Close-ups auf ihre blauen Augen. Beide würden noch besser wirken, müssten sie nicht oft ganz platte Sätze sagen. Dialoge sind die große Kunst im Film und beim Fernsehen - leider zu selten im deutschen Seriengeschäft.

Doch wie "KDD" bildet "Unschuldig" den erfolgreichen internationalen Produktionsstandard ab mit harten, schnellen, soundunterlegten Schnitten, mit Zeitlupen und Zeitraffer, dem rauen Gitarrenriff für Tempo und dem sentimentalen E-Piano in Momenten, in denen sich die Helden ihre Gefühle leisten. Am Ende steht Alexandra Neldel immer vor dem Knast und holt einen Menschen ins Leben zurück. Sehr amerikanisch. Mit dieser Serie werden sich die Zuschauer beschäftigen.

Unschuldig, 12 Folgen, immer mittwochs, 20.15 Uhr, Pro Sieben.

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