Neue Rechte:"Charta 2017"

Eine Dresdner Buchhändlerin und Pegida-Sympathisantin warnt nach den Tumulten auf der Buchmesse vor "Gesinnungsdiktatur". Unter den Erstunterzeichnern ihres offenen Briefes ist auch der Schriftsteller Uwe Tellkamp.

Von Cornelius Pollmer

Mit einem offenen Brief, einer "Charta 2017", hat die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen die Diskussionen um Störaktionen auf der Frankfurter Buchmesse verlängert. Der Brief erfährt wegen seines Inhalts wie wegen der Namen einiger Erstunterzeichner seit Dienstag Aufmerksamkeit. Dagen schreibt, die Vorkommnisse auf der Buchmesse machten deutlich, "wie widersprüchlich es in unserem Land zugeht: wie unter dem Begriff der Toleranz Intoleranz gelebt, wie zum scheinbaren Schutz der Demokratie die Meinungsfreiheit ausgehöhlt wird." Die Buchhändlerin nimmt unter anderem Bezug auf die Auseinandersetzungen und Tumulte um eine Veranstaltung des neurechten Antaios-Verlages. Mutmaßlich linke Gegendemonstranten hatten ein Podium massiv gestört, auf dem Vertreter der völkischen "Identitären" sowie der AfD-Politiker Björn Höcke auftraten. Dass es auf der Messe auch Inszenierungen und Störaktionen von rechtsgerichteten Akteuren gegeben hatte, lässt Dagen unerwähnt. Stattdessen kritisiert sie in ihrem Brief den Aufruf des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sich mit rechten und rechtsextremen Verlagen aktiv auseinanderzusetzen. Der Börsenverein gebe auf diese Weise einen "Gesinnungskorridor" akzeptierter Meinungen vor. Die Gesellschaft sei "nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt".

Zu den Erstunterzeichnern des Briefes gehören neben dem Publizisten Matthias Matussek auch die Publizistin Vera Lengsfeld sowie die Autoren Uwe Tellkamp und Jörg Bernig. Es sind Namen, die in den aufgeregten Dresdner Jahren seit Gründung der Pegida-Bewegung im Herbst 2014 immer wieder im Diskurs auftauchten. Bernig hat die Migrationspolitik der Bundesregierung kritisiert, weil diese "auch die Konflikte anderer Kulturen ins Land" hole. Der vielfach ausgezeichnete Bestseller-Autor Uwe Tellkamp fällt seit einer Weile vor allem damit auf, dass er sich nicht äußert. Im Juni immerhin hielt er eine Dankesrede zur Verleihung des Kulturpreises Deutscher Freimaurer. Tellkamp sagte da, er wünsche sich "vorurteilsfreie, angstfreie, scheuklappenlose" Diskussionen, jedoch: "Man findet diese kaum." Die Autorin des offenen Briefes, Susanne Dagen, betreibt ihren Buchladen am Fuße des von Tellkamp in dem Roman "Der Turm" beschriebenen Stadtteils Weißer Hirsch. Seitdem Dagen bekannt hat, mit Pegida zu sympathisieren, ist sie Gegenstand kontroverser Diskussionen in der Stadt.

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