Neue Märchen von J. K. Rowling:Zum Glück? Bitte dritte Falltür rechts

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Plaudereien aus dem magischen Nähkästchen: "Die Märchen von Beedle dem Barden" von Joanne K. Rowling wollen alles und vor allem eines nicht: langweilen.

In einem verzauberten Garten, umgeben von hohen Mauern, sprudelt der Brunnen des wahren Glücks. Nur einmal im Jahr, zur Sommersonnenwende, kann ein einziger Mensch hierher gelangen und buchstäblich im Glück baden.

Cover des neuen Bandes (Foto: Foto: Carlsen Verlag)

Klingt märchenhaft und hat auch einen Haken.

Die angeblich magische Fontäne im neuen Buch von Harry-Potter-Schöpferin Joanne K. Rowling hat gar keine Zauberkraft.

Glücklich werden die drei Hexen und der Ritter mit Namen "Glücklos" trotzdem, als sie das falsche Wässerchen entdecken. Wie in allen fünf Geschichten des neuen Rowling-Buches "Die Märchen von Beedle dem Barden" gibt es nämlich eine eindeutige Moral: Für dein Glück musst du selber sorgen, und wenn du dich richtig anstrengst, findest du es auch.

Kurz nachdem 2007 der letzte Potter-Band auf dem Markt war, wurde bekannt, dass die britische Erfolgsautorin das ursprünglich nur für Freunde geschriebene und von ihr selbst illustrierte Märchenbuch veröffentlichen wollte.

Sämtliche Honorarerlöse des in 23 Sprachen erscheinenden Buchs, das in Großbritannien und Deutschland zeitgleich herauskam, gehen an Rowlings Kinderhilfsorganisation "Children's High Level Group".

Vor allem kleine Potter-Fans können nun pünktlich zum Weihnachtsgeschäft glücklich in dem kleinen Bändchen versinken, denn Rowling verrät zahlreiche bislang unbekannte Details aus der Zauberwelt. Auf ihren Einfallsreichtum und Witz ist Verlass.

"Die Märchen von Beedle dem Barden sind eine Sammlung von Geschichten, die für junge Hexen und Zauberer geschrieben wurde. Sie werden seit Jahrhunderten gerne zur Schlafenszeit vorgelesen", schreibt Rowling in der Einleitung, die bereits ganz für Leser aus der Zauberei-Welt formuliert ist.

Als "Buch im Buch" spielten die Geschichten im siebten Potter-Band eine wichtige Rolle. Bei kleinen Magiern sind sie so bekannt, wie bei Nicht-Zauberkindern Schneewittchen und Dornröschen.

Rowling allerdings gibt zu: "Beedles Geschichten ähneln unseren Märchen in vielerlei Hinsicht; so wird Tugend meistens belohnt und Bosheit bestraft." Die fünf Geschichten sind voller klassischer Märchenelemente - alleine drei von ihnen fangen in der deutschen Übersetzung mit "Es war einmal" an.

Sie sind gerade heraus erzählt, die moralische Botschaft kann auch von jungen Lesern so gut wie nicht verfehlt werden. Trotzdem geht der moralische Zeigefinger erwachsenen Fans nicht auf die Nerven. Denn Rowling benutzt einen Trick: Der große Zaubermeister und ehemalige Direktor der Hexen-Schule Hogwarts, Albus Dumbledore, hat zu jedem Märchen einen Kommentar verfasst und plaudert humorvoll aus dem magischen Nähkästchen.

Ab und zu merkt man ihm allerdings auch den Lehrer an. So erklärt Dumbledore, was es mit der blutigen und unheimlichsten Geschichte des Bandes auf sich hat, "Des Hexers haariges Herz".

Ein Hexenmeister schneidet sich das Herz aus dem Leib, damit er niemals Liebe empfindet und somit auch niemals unglücklich werden kann. Als er es Jahre später wieder herausholt, sprießen lange dunkle Haare aus dem verschrumpelten Organ. Dumbledore erläutert, ganz Wissenschaftler: Die Haare versinnbildlichen sein Absinken ins Viehische. Und weiter: "Kein Mensch auf der ganzen Welt, ob Mann oder Frau, mit Zauberkraft oder ohne, blieb jemals von jeglicher Art der Verletzung verschont, ob körperlich, geistig oder emotional. Zu verletzten ist so menschlich, wie zu atmen."

Obwohl das Büchlein vor Märchenelementen nur so strotzt, gibt es nicht: die typische Prinzessin. Wie gewohnt sind Rowling tatkräftige, selbstbewusste Kinder und junge Leute lieber als brave.

Beedles Heldinnen verlassen sich deshalb auch nicht auf mutige Prinzen, sie suchen ihr Glück selbst. Rowling: "Sie sind Hexen, die ihr Schicksal lieber selber in die Hand nehmen, als ein ausgedehntes Nickerchen zu machen oder darauf zu warten, dass ihnen irgendjemand einen verlorenen Schuh zurückbringt." Und wenn echte Zauberkinder langweilige Märchen lesen müssen, löst das bei ihnen laut Rowling nur eine Reaktion aus: "Unkontrolliertes Würgen".

Joanne K. Rowling: Die Märchen von Beedle dem Barden. Carlsen Verlag, Hamburg 110 S., 12,90 Euro

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