Neue Auflage des Duden:Das wichtigste Wörterbuch muss relevant bleiben

Duden - Das Wort Instagram

"Instagram", "tindern" und "Snapchat": Der Duden wurde um 5000 Wörter ergänzt.

(Foto: dpa)

Der Duden hat 5000 neue Wörter aufgenommen. Darunter sind nicht nur Anglizismen und Propagandabegriffe, sondern auch das "Binnen-I" und "queer" - Wörter, die das gesellschaftliche Bewusstsein schärfen.

Kommentar von Julian Dörr

"Hey, hast du auf dieser Abrissparty am Wochenende die fancy Chica gesehen, die den Adblocker gecrackt hat?" Sätze wie dieser sind der Albtraum eines jeden Sprachbewahrers. Fancy. Adblocker. Was passiert denn bitte mit der deutschen Sprache? Kann man das nicht auch auf Deutsch sagen? Schick! Werbeblocker! Immer diese fiesen Anglizismen. Und jetzt auch noch Chica! Was soll das sein, ein Spanizismus? Ach nein, das nennt sich ja Hispanismus. So steht es im Duden. Wo sich ab Mittwoch übrigens auch alle Wörter des eingangs erwähnten Satzes nachlesen lassen. Zusammen mit 4995 weiteren neuen Stichwörtern. Der Albtraum der Sprachbewahrer ist wahr geworden.

Der Duden, das Rechtschreibwörterbuch der deutschen Sprache, erscheint am Mittwoch in neuer, aktualisierter, 27. Auflage. 5000 neue Stichwörter hat die Redaktion aufgenommen, 145 000 sind es nun insgesamt. "Abrissparty", "fancy", "Chica", "Adblocker" und "cracken" stehen ebenso auf der Liste der Neuzugänge wie "Snapchat", "Tikitaka", "Veggie" und die "Willkommenskultur". Mehr als genug Material jedenfalls für die Untergangspropheten, die angesichts fremdsprachlicher Invasoren die reine deutsche Sprache in Gefahr sehen. Ganz sicher wird sich bald der Verein Deutsche Sprache melden. Er hatte der vergangenen Duden-Neuauflage von 2013 den Negativ-Titel "Sprachpanscher des Jahres" verliehen - mit der Begründung, es seien "lächerliche Angeber-Anglizismen" aufgenommen worden. Warum, fragte der Verein damals, könne man nicht einfach "Klapprechner" sagen statt "Laptop"?

Das ist natürlich rückwärtsgewandter Quatsch. Denn: Das wichtigste Wörterbuch der deutschen Sprache sollte auch auf der Höhe der Zeit sein. Die deutsche Sprache ist das, was mehr oder weniger 80 Millionen Menschen in diesem Land nun einmal so sagen an einem gewöhnlichen Tag. Also durchaus Wörter wie: "Dropbox", "Couchsurfing", "Jumpsuit", "Selfie" und "Emoji". "Swappen", "tindern" und "entfreunden". Was an dieser Stelle mal gesagt werden muss: Der aktualisierte Duden-Wortschatz ist ein Zeichen für die Wandlungsfähigkeit und die Lebendigkeit der deutschen Sprache.

Ein Wörterbuch muss relevant sein. Und Relevanz erreicht man nicht, indem man sich gegen die natürliche Entwicklung einer Sprache stemmt. Die zentrale Frage ist die: Will man weiterhin bockig auf dem "Klapprechner" bestehen? Oder will man die Sprache und damit die Debatten unserer Zeit abbilden? Letzteres schafft der Duden mit seiner Aktualisierung. Denn die schlichte Auswahl von Wörtern für ein Wörterbuch ist eine hochpolitische Entscheidung.

Der "Brexit" steht nun drin, ebenso die "Filterblase", die "Fake News" und Jan Böhmermanns "Schmähgedicht". Der Duden hat die politische Lage in diesem Land gescannt und sich ihr angepasst. Das führt nun auch dazu, dass rechtspopulistische Propagandabegriffe wie "Flüchtlingskrise", "Lügenpresse" und "Volksverräter" im Duden stehen. So problematisch sie inhaltlich sind: Wenn man abbilden will, was die Menschen in einem Land bewegt, worüber eine Gesellschaft diskutiert und streitet, dann muss man auch diese Begriffe akzeptieren.

Es ist ein gutes Zeichen, dass die Redaktion des Dudens auch solche Stichwörter wie das "Binnen-I", "geschlechtergerecht" und "queer" in ihre Neuauflage aufgenommen hat. Denn mittelbar unterstützt das auch die Ideen hinter diesen Begriffen, Geschlechtergerechtigkeit und Toleranz. "Queer" ist zwar vielen Menschen in einem liberalen, politisch interessierten Milieu ein Begriff, eine Erwähnung im Duden verbreitet das Wort jedoch weit über seine ursprüngliche Gebrauchsblase hinaus. Und weil Sprache ja Macht ist, ist größere Verbreitung auch größere Macht. Sprache schafft Sichtbarkeit, Sprache schafft Aufmerksamkeit. Wer nicht benannt wird, der ist sprachlos, der wird vergessen, verdrängt, marginalisiert. Wer repräsentiert wird, der findet statt. Das gilt gerade auch für den Duden.

Was wirklich bemerkenswert an den Neuzugängen im Duden ist: Es sind sehr viele Namen von Unternehmen oder leichte Abwandlungen von Markennamen darunter. "Twitter", "Dropbox", "WhatsApp", "tindern" und "facebooken". Man kann das nun problematisch finden - kostenlose Werbung für große Firmen -, aber auch hier muss man sich eingestehen, dass wir nun einmal mittlerweile so reden. Gerade die sozialen Medien haben sich so geschmeidig in unser Alltagsleben eingepflegt, kein Wunder also, dass sie auch in unserer Alltagssprache auftauchen. Ein künstlicher Sprachbann wäre auch hier letztendlich vergeblich. Facebook und Co. sind nicht auf kostenlose Werbung im Duden angewiesen. Und BMW und Siemens stehen da sowieso schon länger drin.

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