Neu im Kino: "Sex and the City":Bitte mal locker machen

Ist "Sex and the City" doch mehr als nur Schuhekaufen, Merchandising, Heiraten und ein klebriger Proseccoabend unter Freundinnen? Aber ja.

Rebecca Casati

In der Mitte des Raumes steht ein Stuhl, so ein unbequemes Stilmöbel mit Folterlehne, und ganz kurz denkt man: Da hat ja jemand eine Puppe draufgesetzt.

Neu im Kino: "Sex and the City": Vorbild für die sexbesessene Samantha: ein schwuler Mann? Mitnichten!

Vorbild für die sexbesessene Samantha: ein schwuler Mann? Mitnichten!

(Foto: Foto: ap)

"Was haben Sie sich alle schick gemacht für uns!" kommt es in leicht meckerndem Singsang aus der Puppe, die natürlich Sarah Jessica Parker heißt, was angesichts ihres Aufzug reinste Koketterie ist: Sie sitzt kerzengerade da, im armfreien weißen Bausche-Kleidchen, mit feucht schimmernden Lackschuhen. Ihre Beine sind nackt, und während des Gesprächs kann es passieren, dass sie plötzlich eines bis auf Ohrhöhe anhebt.

Angenehmerweise ist hier mal nichts zu spüren von der gebotoxten Überperfektion solcher Pressetermine.

Fältchen um die Augen

Parker riecht sehr nach Parfüm, ist ein bisschen zu stark geschminkt, und da sie im Gegenlicht sitzt, betont das Make-Up die Fältchen um ihre Augen.

Ihr Kleid wäre ein bisschen zu festlich und ein bisschen zu kindlich für diesen Anlass - wäre, wenn nicht sie und ihre drei Kumpaninnen uns, dem Publikum von sechs Staffeln "Sex And The City", nicht immer wieder vermittelt hätten, dass man sich an einem regnerischen Wochentag auch im Tutu durch Manhattans Fußgängermassen schieben kann - so lange es identitätsstiftend ist.

Der ganze "Sex And The City"-Tross ist im Berliner Hotel Adlon, weil am Vorabend Premiere des gleichnamigen Films war. Genaugenommen die zweite, zum allerersten Mal wurde der Film vor zwei Wochen in London gefeiert - die Boxoffice-Zahlen aus dem Ausland, wichtiger denn je für Hollywood, verlangen es wohl so. Die New Yorker waren natürlich nicht glücklich darüber, denn schließlich galt New York doch immer als fünfte Hauptdarstellerin der Serie.

Der "Sex And the City"-Film ist für sich schon ein Kuriosum. Zumal für das Leitmotiv der Hauptfiguren - die ständige Suche - kaum ein Format besser geeignet schien als eben das der Serie.

Diese wurde an einem Punkt eingestellt, als sie dramaturgisch noch längst nicht ausgereizt war. Der Grund blieb damals im Vagen - Fakt war, dass zwei der Darstellerinnen, Sarah Jessica Parker und Cynthia Nixon, sich der Mutterschaft zuwandten, während gleichzeitig die Gehaltsvorstellungen der Stars offenbar ins Astronomische gestiegen waren.

Vier Jahre liegen zwischen der Ausstrahlung der letzten Serienfolge und dem Film. Die Besetzung ist bis in die kleinsten Nebenrollen identisch. Die Charaktere sind ein wenig abgeklärter, aber sie sind immer noch: Samantha, die Erotomanin; Miranda, die sarkastische Erfolgsfrau; Charlotte mit dem Brett vorm Kopf und Carrie, die Undefinierbare, die nun eine Ehe mit Mr. Big eingehen will.

Die wichtigste Frage zuerst: Funktioniert diese Übertragung? Sie funktioniert. Was daran liegt, dass die Autoren mit ihren Protagonistinnen fein austarierte, unmittelbar in der Gegenwart angesiedelte Projektionsflächen geschaffen haben.

Die vier Hauptfiguren sind in ihren Gefühlen sehr präzise beschrieben, ihre Biografien bleiben dagegen immer sehr vage, um größere Identifikation zu gewährleisten. Sie sollen sogar so abstrakt sein, dass man in die Lücken seine eigene Biografie füllen kann. Und deshalb spielt es im Film auch keine große Rolle, wie im einzelnen die Frauen die letzten vier Jahre rumgekriegt haben.

Dass die Zeit vorangeschritten ist, sieht man an zwei neuen Rollen. Da ist zum einen Carries farbige, patente Assistentin Louise, gespielt von Jennifer Hudson. Zum anderen Charlottes kleine, chinesische Adoptivtochter. Irgendwie ist es den Machern gelungen, aus hunderten von knallbegabten kleinen Bewerberinnen eine talentfreie, emotionslose herauszufischen.

Diese beiden neu eingeführten weiblichen Rollenbilder - patent respektive völlig ungerührt - lassen die anderen vier noch kapriziöser, ihre früheren Eskapaden origineller, sie selbst aber auch reifer erscheinen, zumal das Drehbuch Verbitterung, Wehmut, Desillusionierung in ihre Leben mischt.

Es geht nicht um krumme Penisse

Ein Zimmer weiter sitzt die Seele des ganzen Unternehmens "Sex And The City": Michael Patrick King, Drehbuchautor, ausführender Produzent und Regisseur.

Ein sympathischer Mensch mit Ohren, die beim Sprechen zucken. Er hat die Frauen fürs Fernsehen neu erfunden, sie haben ihn reich gemacht. Erleichtert, sagt er, sei er nun. Weil er seine Schützlinge für den Film nicht kompromittiert hat. Weil die Leute gelacht haben. Und glücklich aussahen. Wie ist das für einen Mann, so lange über vier Frauen nachzudenken? Für diesen: nicht neu.

King wuchs mit drei Schwestern auf und einem Gefühl: Es gibt keinen Graben. Männer und Frauen sind Freunde. Das merkt man der Serie und dem Film an. Umso sonderbarer, dass viele Männer glauben, "Sex And The City" sei erfunden worden, damit Frauen gemeinsam über krumme Penisse lachen können.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum die Übertragung des Serienformats "Sex and the City" auf den gleichnamigen Kinofilm funktioniert.

Bitte mal locker machen

Das Komische und auch bahnbrechende an der Serie war immer geschlechterübergreifend: Leute ab 35, die in unwürdige Situationen geraten, wenn sie ihren zwischenmenschlichen Impulsen folgen.

Neu im Kino: "Sex and the City": Müssen sich im Alter nicht zurückverpuppen: "Sex-and-the-City"-Darstellerinnen Kristin Davis, Sarah Jessica Parker, Cynthia Nixon und Kim Cattrall.

Müssen sich im Alter nicht zurückverpuppen: "Sex-and-the-City"-Darstellerinnen Kristin Davis, Sarah Jessica Parker, Cynthia Nixon und Kim Cattrall.

(Foto: Foto: ap)

Ein Effekt, den in den Vierzigern ein Screwball-Regisseur wie Preston Sturges erreichte, indem er in seiner berühmten "Lady Eve"-Liebesszene zwischen Henry Fonda und Barbara Stanwyck ein Pferd in Fondas Haar wühlen ließ.

Nicht von ungefähr benennt Michael Patrick King diesen Meister, der wie er selbst einst den Sprung vom Drehbuchautor zum Regisseur geschafft hat, als eine seiner größten Inspirationsquellen. Die schwierigste, vielleicht auch wichtigste Rolle war für ihn nicht etwa die Erzählerin Carrie, sondern die sexuell umtriebige Samantha - "die Leute verlangen geradezu, dass sie über die Stränge schlägt".

Respektlose Deutung

Vor ein paar Jahren setzte in Amerika jemand die Deutung in die Welt, dass es sich bei Samanthas realem Vorbild eigentlich nur um einen schwulen Mann handeln könnte. Diese Deutung trifft King persönlich, und das sollte sie wohl auch, denn er und sein Produzent Darren Starr sind offen schwul.

"Ich höre das Argument häufig. Frauen, die viel Sex haben und hinterher immer noch stark sind, die aber auch Farben mögen - das können nur schwule Männer sein? Was für eine banale, altmodische, respektlose Interpretation. Und zwar den Frauen gegenüber."

Nun arbeitet der Film auch mit Vereinfachungen. "Frauen kommen aus zwei Gründen nach New York", heißt es in einem von Carries Voiceovers: "Sie suchen Labels und Liebe." Es ist nicht schwer, diesen Film dafür dämlich zu finden. Gleichzeitig ist es borniert, ihn nicht in der Tradition der eleganten, geistreichen Komödien eines Stanley Donen oder eben Preston Sturges zu sehen.

Es gibt mindestens zehn wahnsinnig anrührende Momente. Durchweg geschliffene Dialoge. Der Rest ist kurzweilige Unterhaltung. Man kann dem Film nicht einmal wirklich vorwerfen, dass er um eine Heirat kreist, denn das tun romantische Komödien in neun von zehn Fällen.

Ein geradezu begierig aufgegriffene und ständig wiederholte Ableitung der Serie besagt, dass Frauen durch ein Paar Schuhe glücklich werden können. Das stimmt zwar. Aber auch wieder nicht. Denn was Kritiker von "Sex And The City", auch wohlmeinende, auf einen endlosen Kostümwechsel reduzieren, ist in Wahrheit eine der humansten Botschaften der Serie und auch des Films: Wer älter wird, muss nicht automatisch verschwinden.

Vor fünfzig Jahren wurde mit dem Begriff "Youthquake" auch das Dogma ausgerufen, dass Teenager sich modisch entfalten, Frauen im fortschreitendem Alter aber zurückverpuppen sollten. Dass die Kostümbildnerin Patricia Fields, 66, mehr wollte als schicke Klamotten zusammenstellen, erkennt man gleich in einer der ersten Szenen: Da sieht man Carrie in einem Kleid mit riesiger Blüte durch New York wandern, und so eine Blüte ist doch bisher - japs, wie unpassend! - immer für die gerade Erblühenden reserviert gewesen.

Schauderhaftes Merchandising

Das einzig wirklich Schauderhafte an diesem Film ist der spießige Soundtrack. Sowie das bereits aus der Serie wohlbekannte Merchandising: Die Magazine mit ihren "schönsten Looks". Die Reisegruppenleiter, die zu "Carries liebstem Sexshop" führen. Die Kinobetreiber, die klebrig für ihre "Sex And The City"-Frauenabende werben, das ganze grauenhafte, verschwörerische "Kommen Sie doch mit Ihren Freundinnen, es gibt auch einen Prosecco umsonst"-Getue.

Leider verwechseln einige das Getue mit der Handlung. Erstaunlich, wie jovial und herablassend männliche Kritiker da plötzlich argumentieren. "Während die Stimmen der Frauen im Saal dramatisch anschwollen, herrschte vor dem Kino bereits komplette Hysterie", beschreibt, nicht weniger emotionalisiert, ein Times-Mann sein Premierenerlebnis.

Während die Zeit nicht ganz zu Unrecht Warenfetischismus diagnostiziert, abstruserweise aber auch Rassismusgedanken. Denn: Filmen über Kostümwechsel muss man ja kritisch gegenüberstehen. Man könnte für oberflächlich, am Ende auch für schwul gehalten werden. Sogar als Frau.

Was für ein Krampf. Bitte doch mal alle kurz locker machen. Es ist Kino. Es ist Sommer. Der Graben ist nun eben mal gerade nicht so tief. Die nächsten zehn Jahre kann man dann ja wieder drüber reden, dass es in Hollywood jenseits der Dreißig keine guten Frauenrollen mehr gibt.

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