Neu im Kino: "Last Radio Show":Das Leben ist ein Pinguin-Witz

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Es kommt nicht oft vor, dass einer einen Film macht und weiß, dass es sein letzter sein wird. Regisseur Robert Altman hat sein Vermächtnis inszeniert: "Last Radio Show" erscheint nun, nach seinem Tod.

Susan Vahabzadeh

Es kommt nicht oft vor, dass einer einen Film macht und tatsächlich weiß, dass es sein letzter sein wird - dass er sein Vermächtnis inszeniert. Vielleicht würden's die meisten auch einfach nicht wahrhaben wollen, würden sich nicht eine lange Drehzeit über plagen wollen mit dem Abschiednehmen.

Lily Tomlin, Meryl Streep und Lindsay Lohan in Robert Altmans letztem Film. (Foto: Foto: ddp)

Man kann eine solche Prozedur eigentlich nur durchhalten, wenn man so wie Robert Altman - gestorben im vorigen November - an die Sache rangeht, der aus seiner "Last Radio Show" eine melancholische Komödie gemacht hat, der noch einmal alle Register zog und zeigte, was er kann und wie er sich sah. Der "Last Radio Show" wohnt eine Haltung zum Leben inne - und genau das ist es, was er am Ende hinterlässt: Haltung.

Filmemachen, hat Robert Altman einmal gesagt, ist die Chance, viele Leben zu leben. Seine Filme sind wie Jazz, Aneinanderreihungen von Augenblicken statt einer vorgefertigten Konzeption: "Ich finde, Film ist der Malerei näher oder einem Musikstück; es geht um Eindrücke von Figuren und Atmosphäre."

Altman hat sich selbst als ein Relikt der Vergangenheit gesehen - und hat dennoch darauf bestanden, sein Leben lang, exakt genau so weiterzumachen wie immer. Für seinen letzten Film hat er sich als Gegenstand etwas gesucht, was ein bisschen ist wie er, aus einer anderen Zeit in Amerika, aus einem Mittleren Westen, der so gar nicht mehr existiert.

Die Chance, viele Leben zu leben

Der "Prairie Home Companion" - so der Originaltitel des Films - ist eine wöchentliche Radioshow, die im Fitzgerald-Theater aufgezeichnet wird, einer Lokalität in St. Paul, benannt nach F. Scott, der in dieser Stadt geboren wurde. Eine Beziehung, die Altman etwas bedeutet und manchen von den Menschen im Theater, nicht aber dem Abwickler eines Großkonzerns (Tommy Lee Jones), der dort hinkommt, um den Laden zu schließen, nachdem seine Firma ihn gekauft hat. Er steht vor der Fitzgerald-Büste und hat keine Ahnung, wer dieser Kerl war.

Die Leute im Theater wissen, was ihnen blüht - Garderobenfrauen, die Sängerinnen Rhonda (Lily Tomlin) und Yolanda (Meryl Streep), der Gastgeber der Show G.K. (Garrison Keillor), der Theaterleiter (Kevin Kline) und ein wehmütiger, bildschöner Todesengel (Virginia Madsen), der durch die Szenerie schreitet, als wäre das Ende aller Dinge ein unvermeidlicher, eleganter Schwanengesang. "So regen wir die Ruder", heißt es bei Fitzgerald, "stemmen uns gegen den Strom - und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu."

Es gibt alles in diesem Film, was Altman ausmachte - das Durcheinanderreden, den overlapping dialogue, von dem er selber behauptete, er habe ihn bei Hawks geklaut (der ihn bei weitem nicht so zum Exzess getrieben hatte wie Altman), oder die von ihm selbst immer wieder befeuerte Legende, er habe eigentlich immer nur Schauspieler beim Improvisieren gefilmt (was bei manchen Szenen in ihrer Komplexität, während ewiglanger Kamerafahrten, bei denen die Charaktere ins Bild kommen und wieder abgehen, ohne Choreographie, schlicht nicht möglich gewesen wäre). Und seine Selbstironie und seinen Humor.

Das Ende aller Dinge

Das Letzte, was sie hörte, bevor sie starb, war der Anfang eines Witzes, erzählt der Todesengel in einer Szene, und sie will endlich die Pointe hören. Es war der Pinguinwitz - treffen sich zwei Pinguine, sagt der eine, du siehst aus, als hättest du einen Smoking an, sagt der andere: "And what makes you think I don't?" Warum eigentlich nicht? Ich weiß nicht mal, warum das witzig ist, sagt sie ... Aber dass Altman den geliebt hat, das glaubt man sofort, der das Leben vielleicht nicht immer sehr komisch fand, aber schön absurd in seiner Finsternis; ob man darüber lachen kann oder nicht, ist eine Frage des Humors.

"Last Radio Show" treibt ein Spiel mit dem Ende. Manchmal witzeln die Gestrigen des Fitzgerald-Theaters darüber, dass sie alle bald zum alten Eisen gehören werden, dann wieder erfüllt es sie mit Melancholie, und dann wieder sind sie entgeistert bei dem Gedanken, der Todesengel könnte ausgerechnet ihnen auf den Fersen sein. Tomlin und Streep nehmen es mit Gelassenheit, dass sie immer nur in verrauchten Bierzelten der Top Act waren und treiben mit dieser Coolness den suizidalen Teenager in den Wahnsinn, den sie mitschleppen; John C. Reilly und Woody Harrelson haben einen der witzigsten Auftritte, eine schier endlose Gitarrennummer, den "Bad Joke Song", bei der sie einander die Bälle zuspielen.

Ein komischer Reigen im Theater entsteht, kommentiert von Garrison Keillor - der, wie auch die Show "A Prairie Home Companion", keine Fiktion ist, aber irgendwie surreal. Einige Surrealismen des Film speisen sich aus dieser Show - der Ursprung von Kevin Klines Figur, der den Theaterleiter als Wiedergänger eines Vierzigerjahre-Detektivs spielt namens Guy Noir, ist eine Sequenz der Show, die die alten Krimihörspiele gelegentlich wiederauferstehen lässt.

Sie alle haben ihre Augenblicke, die an sich nicht viel bedeuten, aber einen Eindruck hinterlassen - Noir, der am Klavier klimpert und dabei die Büste von Fitzgerald betrachtet; die alte Sandwichlady, die sich aufmacht zu einem letzten Rendezvous; Yolanda, die in der Garderobe vor dem Spiegel mit allerlei Handgriffen versucht, die Spuren der Zeit zu verwischen.

Der Tod eines alten Mannes ist keine Tragödie

Ein komischer Reigen; und immer wieder Dialogzeilen, mit denen Altman Abschied nahm - "Ich möchte keinem sagen müssen, dass er sich an mich erinnern soll" beispielsweise, oder - das sagt der Todesengel: "Der Tod eines alten Mannes ist keine Tragödie. Vergib ihm seine Fehler und danke ihm für seine Liebe und Fürsorge.

"Man ist vielleicht alt, wenn man sich nur noch dem Gestern verhaftet fühlt - das ist nicht schade, es ist einfach so. Und am Ende hat das alles dann doch mit der Welt zu tun und nicht nur mit Robert Altman - mit all den romantischen Kleinigkeiten, mit denen die moderne Welt aufgeräumt hat, mit der Macht der Großkonzerne, und mit dem Kino, das das Gestern vergessen hat. Der Mann vom Konzern, den Tommy Lee Jones spielt, der könnte aus Altmans Hollywood-Satire "The Player" stammen - keine Ahnung von gar nichts, aber zu allem bereit.

A PRAIRIE HOME COMPANION, USA 2006 - Regie: Robert Altman. Buch: Garrison Keillor. Kamera: Ed Lachman. Schnitt: Jacob Craycroft. Mit: Woody Harrelson, Tommy Lee Jones, Garrison Keillor, Kevin Kline, Lindsay Lohan, Virginia Madsen, John C. Reilly, Maya Rudolph, Meryl Streep, Lily Tomlin. Kool Filmdistribution. 105 Minuten.

© SZ vom 11.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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