"Ewige Jugend" im Kino:Lustvoll im Alter

"Ewige Jugend" im Kino

Michael Caine (links) und Harvey Keitel haben auch bei nachlassender Sehstärke noch ein Auge für die Weiblichkeit.

(Foto: Wild Bunch)

Michael Caine und Harvey Keitel philosophieren in "Ewige Jugend" über Leben, Liebe und Urin.

Von Fritz Göttler

"Simple Things" will die Queen gern hören in einem Sonderkonzert, eines der Glanzstücke von Fred Ballinger, dirigiert vom Meister selbst. Doch der Bote, den sie mit dieser Anfrage aus dem Buckingham-Palast in die Schweizer Berge schickt, wo der große Kompositeur augenblicklich residiert, wird abgewiesen. Ballinger hat wirklich keinen Bock auf so eine royal performance.

Michael Caine ist der gute alte Ballinger, und er passt mit seinem derben Rollennamen und seiner Cockney-Herkunft vorzüglich in diese Anlage, die so gar nichts großbürgerlich Zauberbergisches hat - Wellness im Massenabfertigungsbetrieb. Auch Harvey Keitel hat sich hier eingenistet als Althollywoodianer Mick Boyle, ein Kumpel von Ballinger. Er aber ist nicht zur Erholung da, sondern bastelt an einem letzten Drehbuch, zusammen mit einer Clique junger Mitstreiter.

Erschrecken vor der eigenen Bürgerlichkeit

Nicht nur Senioren tummeln sich an diesem isolierten Ort, sondern jede Menge weiterer durchgeknallter Typen. Ein fetter Fußballer mit Karl-Marx-Tattoo, Paloma Faith, oder Paul Dano als Jungschauspieler, der am allzugroßen Erfolg laboriert - in einer Roboterrolle. Novalis wird zitiert, die Sehnsucht, in die Ferne zu streifen, ist verflogen, nun zieht es uns ins Haus des Vaters. Die wunderbare Rachel Weisz ist Ballingers Tochter, sie hält ihm vor, er habe früher abends keine Zeit für sie gehabt, wenn Strawinski zum Essen kam, und glaubt dann doch, sie könne Ordnung in sein Leben bringen.

Paolo Sorrentino, der, wie viele seiner früheren Filme auch, "Youth" im nicht mehr ganz so taufrischen Festivalresort Cannes präsentierte, macht bürgerliche Tragikomödien zum Erschrecken - Erschrecken vor der eigenen Bürgerlichkeit. Manchmal gibt es, wenn ein Film einen Helden bis ins Alter begleitet, junge Schauspieler, die alt gewordene Leute spielen müssen, das ist schlimm. Noch schlimmer ist, wenn alte Leute Alte spielen. Schlimm und, wie Caine & Keitel lustvoll demonstrieren, sehr, sehr lustig. Zum Glück verstehen sie sich darauf, auch derbste Kalauer ironisch zu traktieren - wie viele Tropfen Pisse sie sich an diesem Tag schon mal abgepresst haben. Meine Mutter, erklärte Sorrentino in einem lustigen Gruppen-Blitz-Interview in Cannes der Los Angeles Times, meine Mutter sagte immer: erst die Hausaufgaben, dann das Spiel, und das machte ich . . . Es ist besser, gewisse Probleme so früh anzugehen wie man kann.

"Life's Last Day" soll der Film heißen, den Mick drehen will - ein Vermächtnis. Das Altern, die Vergänglichkeit, die Entfernung von der Jugend, es ist alles das gleiche, absurde Theater. "Gleich der Zeit ist das Zeitliche versehrt", schrieb Adorno, der viele schöne Sachen über das Absurde wusste. "Zu sagen, es gäbe es nicht mehr, wäre schon zu tröstlich." Die Simple Songs, die der Queen am Ende doch zu Gehör gebracht werden, sind übrigens ein ergreifend schönes Stück.

Youth, I/F/GB/CH 2015 - Regie, Buch: Paolo Sorrentino. Kamera: Luca Bigazzi. Schnitt: Cristiano Travaglioli. Musik: David Lang. Mit: Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz, Paul Dano, Jane Fonda. Wild Bunch/Central, 118 Minuten.

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