Neu im Kino: "Beowulf":Wie der Speer aufs Auge

In schwachen Momenten meint man, die Augsburger Puppenkiste würde Amok laufen. Doch die 3D-Effekte und einige Figuren sind in der Tat fabelhaft: "Beowulf", ein Film noir im Fantasy-Gewand.

Hans Schifferle

High-Tech-Kintopp ist das neue Spektakel des obsessiven Filmbastlers Bob Zemeckis, Jahrmarktskino im digitalen Zeitalter, wie Méliès auf Acid. Mysteriöse Seemonster tauchen darin auf, und feuerspeiende Drachen segeln durch die Luft. Muskelbepackte Heroen sind zu bestaunen, liebliche Mädchen und eine mythische femme fatale, deren Füße wie High Heels geformt sind.

Neu im Kino: "Beowulf": Der Moment täuscht: Beowulf eilt meist nackt wie ein Tom-of-Finnland-Pin-up durch den Film.

Der Moment täuscht: Beowulf eilt meist nackt wie ein Tom-of-Finnland-Pin-up durch den Film.

(Foto: Foto: Reuters)

Es werden rauschende Feste gefeiert und große Schlachten geschlagen. Das alles wird uns noch dazu dreidimensional präsentiert. Der Feuerhauch des Drachen scheint durch die Kinoreihen zu wehen, die Speerspitzen der Krieger kitzeln unsere Augen, und das Blut der Opfer träufelt uns fast ins Gesicht. In der Tat: Die 3D-Effekte von "Beowulf", durch eine stabile Brille wahrgenommen, sind fabelhaft, so präzise und eindrucksvoll hat man das im Kino noch nicht gesehen.

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Zemeckis, von dem "Back to the Future" und "Forrest Gump" stammen, setzt das Verfahren teilweise recht subtil ein, baut beispielsweise zwischen Vorder- und Hintergrund des Bildes eine Spannung auf. Das wirkt dann so, als gäbe es immer einen heimlichen Beobachter des Geschehens, als seien die lichten und dunklen Seiten der Saga stets miteinander verknüpft.

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Im Gegensatz zur 3D-Technik ist der Eindruck bei der sogenannten Performance Capture, einem von Zemeckis für "Der Polarexpress" entwickelten Verfahren, bei dem die Performance von Schauspielern mit digitaler Animation kombiniert wird, doch gemischt. Während der phantastische Beowulf im Erscheinungsbild keine Ähnlichkeit aufweist mit dem Darsteller Ray Winstone, sondern nur dessen Stimme und Energie besitzt, sind die anderen Star-Schauspieler zu erkennen: Anthony Hopkins als alternder König von Dänemark, Robin Wright Penn als seine unzufriedene Queen, John Malkovich als seltsam-intriganter Höfling, Angelina Jolie wieder mal als monströs-schöne Übermutter.

Wie Puppen der Schauspieler wirken die Figuren, wie hyperrealistische und zugleich naiv anmutende Marionetten, die oft das Image des Stars ins Ironische ziehen. Bei den heftigen Action-Szenen fühlt man sich im besten Fall an Hieronymus Bosch und Ray Harryhausen erinnert, in schwachen Momenten meint man, die Augsburger Puppenkiste würde Amok laufen.

Körperlichkeit und Sinnlichkeit sind dann auch Problem und Thema des Films. Beowulf, der dem dänischen Königshaus im Kampf gegen das Monster Grendel zu Hilfe eilt, läuft die meiste Zeit nackt herum wie ein Tom-of-Finnland-Pin-up, dessen Geschlechtsteil aber schamhaft verdeckt ist. Dazu wimmelt es von Phallussymbolen in 3D, und Angelina Jolie haust in einer geradezu vaginalen Grotte.

Es hat den Anschein, als verberge sich ein kleiner schmutziger Film in der großen Produktion: ein Fantasy-Noir über Eitelkeit und Verführbarkeit von Helden, über Vergänglichkeit und die Verquickung von Gut und Böse. Kein Wunder bei den kreativen Köpfen hinter dem Projekt: Zemeckis hat mit "Roger Rabbit" bereits einen teilanimierten Film noir gemacht, die Drehbuchautoren Neil Gaiman und Roger Avary sind bekannt für ihre düsteren Bücher und Filme.

Zwei dunkel-romantische Figuren sind ihnen gelungen: der stilisierte Vamp, den die Jolie gibt, und das Monster Grendel, teils Riesenbaby, teils Greis, unendlich grausam, unendlich bemitleidenswert. Wie es der furiose Crispin Glover darstellt mit manisch-gebrochener Kinetik, vereinigt es alles Leid der Menschen in sich.

BEOWULF, USA 2007 - Regie: Robert Zemeckis. Buch: Neil Gaiman, Roger Avary. Kamera: Robert Presley. Effekte: Jerome Chen. Mit Ray Winstone, Anthony Hopkins, John Malkovich, Robin Wright Penn, Brendan Gleeson, Crispin Glover, Angelina Jolie. Warner, 114 Min.

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