Neu im Kino:"Ben-Hur" - zwischen Effekthascherei und fragwürdiger Besetzung

Allein 50 000 Komparsen traten im Original auf - "Ben-Hur" gilt damit als dekadentester Film der Kinogeschichte. Das Remake versinkt nun im durchschnittlichen Blockbusterbrei.

Filmkritik von David Steinitz

Am 14. November 1958 starb der amerikanische Filmproduzent Sam Zimbalist in Rom an einem Herzinfarkt. Schuld waren nicht das Dolce Vita und die schönen Römerinnen, sondern eher der größenwahnsinnige Film, den Zimbalist vor den Toren der Stadt in den Cinecittà-Studios realisieren ließ: "Ben Hur" sollte der monumentalste aller Monumentalfilme werden. Quasi der halbe Mittelmeerstrand wurde abgetragen, um genug Filmwüstensand zusammenzubekommen, 300 Sets wurden gebaut, 400 Sprechrollen besetzt und 50 000 Komparsen rekrutiert. Das Budget wuchs schnell auf produzentenherzbedrohliche 15 Millionen Dollar an - damals der teuerste Film überhaupt.

Zimbalist erlebte also leider nicht mehr, dass er genau das richtige Gespür für die Zuschauergelüste seiner Zeit hatte. Obwohl das Fernsehen dem Kino ab Ende der Fünfziger viele Zuschauer wegnahm, kamen sie für diese dekadente Orgie der Hollywood-Hybris in Scharen in die Kinos zurück. Sogar die zickigen Kritiker waren zufrieden, und am Ende gab es elf Oscars für "Ben Hur", inklusive einer posthumen Auszeichnung für Zimbalist.

Nach knapp sechs Jahrzehnten und unzählbaren Fernsehwiederholungen an verregneten Osterfeiertagen ist der alte Film längst zum Überklassiker geworden. Weshalb er natürlich die Messlatte für jede neue Version vorgibt - und nicht der Roman des Amerikaners Lew Wallace, der die Geschichte 1880 erfand.

Von den Römern versklavt und von einem langhaarigen Zimmermann aus Nazareth mit Wasser und Glauben versorgt

Dabei ist schon das Buch ein schönes Beispiel für den selbstbewussten Unterhaltungsanspruch der Amerikaner. Lew Wallace kämpfte im Sezessionskrieg, wurde zum Generalmajor befördert und saß später in jenem Militärtribunal, das die Mitverschwörer des Attentats auf Präsident Abraham Lincoln zum Tode verurteilte. Sprich: Der Mann war an historischen Ereignissen beteiligt, die zu Gründungsmythen der Vereinigten Staaten wurden, doch in seinem Zweitjob als Geschichtenerzähler reichten ihm diese mickrigen autobiografischen Erlebnisse nicht aus. Da wollte er lieber gleich vom Ursprung der ganzen Christenheit erzählen, weshalb er sich die Heldenreise des jüdischen Prinzen Judah Ben-Hur ausdachte, der von den Römern versklavt und von einem langhaarigen Zimmermann aus Nazareth mit Wasser und Glauben versorgt wird.

Neben Jesus gehören eine Seeschlacht und ein Wagenrennen zu den Attraktionen dieser Geschichte, und auf dieses Komplettpaket an Unterhaltung griffen erst findige Theatermacher und dann auch bald Hollywood gerne zurück. 1907 entstand ein Stummkurzfilm, 1925 ein Stummlangfilm, und dann kam schließlich 1959 die opulente Ausstattungsschlacht mit Charlton Heston ins Kino.

Das neue "Ben Hur"-Update fällt in eine ganz ähnliche Umbruchsituation wie der Film damals: Auch heute kämpfen neue Medienplattformen um die Freizeitgestaltung der Zuschauer, die man heute wohl eher als Nutzer bezeichnet - das Kino muss sich irgendwo zwischen Netflix und Pokémon Go behaupten. Nur zieht der Regisseur Timur Bekmambetow für seine Variation der Geschichte aus dieser Situation leider die falschen Schlüsse. Er setzt auf die gleichen Knalleffekte wie damals, ohne sich die Geschichte auch nur ansatzweise neu zu erschließen.

Bloße Effekthascherei ist zu wenig

Der Erfolg der alten Monumentalfilme bestand vor allem in ihrer exklusiven Opulenz, die nur von ein paar besonders vermögenden Hollywoodoligarchen in Kooperation mit besonders trickreichen Regisseuren realisiert werden konnte. Seit die Digitalisierung den Zugang zu aufwendigen Spezialeffekten immer weiter demokratisiert hat, weil der Computer Römerarmeen, Seeschlachten und Wagenrennen vergleichsweise günstig und unkompliziert ausspuckt, sind Römerarmeen, Seeschlachten und Wagenrennen kein Alleinstellungsmerkmal mehr.

Der Russe Bekmambetow hat sich in seiner Heimat mit Actionfilmen wie "Wächter der Nacht" um Hollywoodjobs beworben, die er seit ein paar Jahren auch bekommt. Er hat zum Beispiel "Wanted" mit Angelina Jolie gedreht, ein gar nicht mal so übles Bumbum-Spektakel, und den lustigen Trashfilm "Abraham Lincoln: Vampirjäger". Aber mit seiner "Ben Hur"-Effekthascherei ragt er jetzt nicht im Geringsten aus dem durchschnittlichen Blockbusterbrei heraus.

Das ist insofern nachteilhaft, als Bekmambetow über der digitalen Effektschlacht vergessen hat, sich um andere grundlegende Dinge des filmischen Handwerks zu kümmern - zum Beispiel, sich eine vernünftige Besetzung zu organisieren. Die Briten Jack Huston (als Ben Hur) und Toby Kebbell (als seine römische Nemesis Messala) sind dermaßen blasse Bübchen, dass man sich dringend nach einem charismatischen Star sehnt.

Morgan Freeman als Beduinenkarikatur

Ein solcher taucht dann ab der zweiten Hälfte auch auf, und zwar in Form von Morgan Freeman als Scheich Ilderim, der Ben Hur ins große römische Wagenrennen einschleust. Bekmambetow scheint aber vergessen zu haben, Freeman darüber zu informieren, dass er ein ernsthaftes Remake und keine Parodie drehen wollte, weshalb der Schauspieler leider wie eine Beduinenkarikatur im Wüstenzelt herumsteht.

Und dann wäre da noch die Sache mit Jesus, die beweist, dass mosaische Verhaltensregeln auch für Hollywoodregisseure gelten sollten: Du sollst dir kein Bildnis machen! Oder zumindest nicht den nächstbesten Langhaarigen vor die Kamera setzen, der ungefähr alle halbe Stunde mit dem mimischen Spektrum eines Soapdarstellers gütig lächelnd vorbeischaut, bevor er ans Kreuz genagelt wird. Was man dann auch nicht mehr so dramatisch findet, wie es wohl sein sollte.

Ben-Hur, USA 2016 - Regie: Timur Bekmambetow. Buch: Keith R. Clarke und John Ridley, nach dem Roman von Lew Wallace. Kamera: Oliver Wood. Mit: Jack Huston, Toby Kebbell, Morgan Freeman, Nazanin Boniadi, Ayelet Zurer, Pilou Asbæk, Sofia Black-D'Elia. Paramount, 125 Minuten.

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