Neu auf DVD: Leni Riefenstahl:Brut und Spiele

Lesezeit: 1 min

Eine Fauna des Sports: Leni Riefenstahls Olympia-Film ist ein Versuch, sich der Uniformierung der Nazis mit der Anarchie des Sports zu widersetzen.

FRITZ GÖTTLER

Die Beherrschung des Raums, die Fragwürdigkeit des Körperkults, die Abhängigkeiten von Sport und Politik, die Implikationen der Stadionkultur, Masseninszenierung und Massenmedien . . . Im Vorfeld der WM verdichten sich die Reflexionen zu diesen Themen, der Countdown zum Start des Events wird begleitet von Hinterfragungen aller Art. Anfang Mai wurde die Ausstellung ¸¸Gedenkort Olympiagelände 1909 - 1936 - 2006" eröffnet in der Langemarckhalle am Berliner Olympiastadion, von Rainer Rother, Direktor des Filmmuseums konzipiert. Eine Kultstätte des Nationalsozialismus, der Name erinnert an die mythische Schlacht des Ersten Weltkriegs. Vor siebzig Jahren, am 1. August 1936 hat Hitler, auf dem Weg, um die Olympischen Spiele von Berlin im Stadion zu eröffnen, hier kurz Zwischenstation gemacht und provokant eine Schweigeminute eingelegt.

Provokant eingelegte Schweigeminute (Foto: N/A)

Diese Minute fehlt natürlich im zweiteiligen ¸¸Olympia"-Werk der Leni Riefenstahl, das Arthaus in einer Premium-Edition neu herausgebracht hat, zusammen mit Ray Müllers reichen Riefenstahl-Porträt ¸¸Die Macht der Bilder". Hitler wollte die Spiele nicht, erklärt Riefenstahl, und wenn man den Olympia-Film wiedersieht, versteht man warum. Und ahnt: Auch Riefenstahl wollte die Spiele nicht. Zur äußeren Perfektion, zu dieser unglaublichen Konzentration gibt es keine Dynamik im Innern. Alles verzettelt sich - als würde des Sportes Anarchie sich der Uniformierung der Nazis widersetzen. Darf man also auch für unsere WM hoffen? Vom ¸¸Fest der Völker", dem Wettstreit, zieht Riefenstahl sich zurück aufs ¸¸Fest der Schönheit", auf dem der in sich selbst verliebte Körper zu feiern ist, in Marathonlauf oder Turmspringen. Die Zuschauerkulisse im Stadion weicht den Wolken des Himmels über Deutschland. Im Kontext der Bilder, den der Müller-Film herstellt, zwischen dem ersten Parteitagsfilm - über den Riefenstahl sich heftig echauffiert, das Material, mit dem sie arbeiten musste, hatte keine Kontur! - und den späten Aufnahmen der Nuba und der Rochen der Tiefseewelt werden auch die Olympia-Sportler Teile einer glücklichen Fauna.

¸¸Olympia", von Leni Riefenstahl. Inklusive ¸¸Die Macht der Bilder" von Ray Müller. Arthaus Premium.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.117, Montag, den 22. Mai 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: