Netznachrichten:Fauler Zauber der Objekte

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Künftig werden auch alltägliche Dinge mit dem Internet verbunden sein. Das ist nützlich - und gefährlich.

Von Michael Moorstedt

Immer Anfang Januar wird Las Vegas noch eine Spur verrückter als es ohnehin schon ist. Dann ist dort die Consumer Electronics Show zu Gast, die Weltleitmesse für Elektronikprodukte, eine Mischung aus Branchentreff und Jahrmarkt. Auf den einschlägigen Webseiten ist dann aufgeregt von den "irrsten Gadgets" die Rede oder den Technik-Trends von morgen. Glaubt man den Technik-Auguren wird in Zukunft so gut wie jedes Objekt mit dem Internet verbunden sein, egal wie alltäglich es in seiner Funktion ist. Hier eine, keineswegs vollständige, Liste von vernetzten Dingen, die in Las Vegas vorgestellt wurden: Matratzen, Einlegesohlen, Toaster, Spazierstöcke, Badezimmerspiegel und Duschköpfe.

"Enchanted Objects" nennt der amerikanische Autor und Start-up-Gründer David Rose vernetzte Gegenstände in seinem gleichnamigen Buch. Verzauberte Objekte also, ganz so wie im Märchen. Die modernen Entsprechungen des magischen Rings oder der Öllampe, die Wünsche gewährt, existieren bereits. Ein per Bluetooth mit dem Smartphone verbundener Ring, der vibriert, wenn der Träger angerufen wird. Eine Wlan-fähige Glühbirne, die die Lichtstimmung je nach Aufenthaltsort und Laune des Trägers variiert. Jedes Gerät kommuniziert mit einer Vielzahl anderer Objekte, ohne dass der Mensch viel von den Maschinengesprächen mitbekommen würde.

Neu ist im Jahr 2017, dass die Technik in immer intimere Gefilde vorrückt. Da wurde etwa eine Zahnbürste mit integrierter Kamera vorgestellt, die das Live-Bild aus der eigenen Mundhöhle auf das Smartphone-Display streamt. Da wird ohne mit dem Mundwinkel zu zucken eine vernetzte Haarbürste angepriesen, die den Benutzer mittels zahlreicher Sensoren vor trockener Kopfhaut und Spliss warnt. Von dort ist es dann nur noch ein kleiner Schritt hin zu dem Autokonzept, das Toyota auf der CES präsentierte. Das soll dank künstlicher Intelligenz mehr sein als eine Maschine. Nämlich "ein Freund".

Intelligentes Schlafgemach: Auf der CES werden Matratzen vorgestellt, die sich individuell an den Schlafenden anpassen, den Fußbereich zum Zubettgehen vorheizen und sogar das Schnarchen bekämpfen. (Foto: John Locher/AP)

So verändert sich durch die Vernetzung der Welt auch die Beziehung zwischen Mensch und Gerätschaft. Das war die längste Zeit ja eine recht klare Angelegenheit. Mensch schafft an, Maschine führt aus. An, aus. Ja, nein. Lämpchen blinkt rot oder grün. Doch sobald man Software in die Dinge verbaut, schafft man Ambivalenz. Nicht nur unsere Computer und Smartphones, sondern unsere Umwelt steckt in Zukunft voller Programme, die man nicht selbst installiert hat, die Dinge tun, denen man nicht zugestimmt hat, um Unternehmen zu nutzen, von denen man noch nie gehört hat - im besten Fall ineffizient und im schlimmsten Fall aktiv bösartig.

Im Spätherbst 2016 wurde ein großer Teil des Internet von einem Netzwerkangriff lahmgelegt, dessen Ursprung im sogenannten Internet of Things zu finden war, also internetfähigen Druckern, Webcams und ähnlichen Geräten, die üblicherweise nur schlecht oder gar nicht gegen Angriffe aus dem Internet geschützt sind und schnell von Hackern gekapert werden können. Trotz dieser Gefahr wird fröhlich weitervernetzt. Und so kann man die Prämisse von Buchautor Rose selbstverständlich auch umkehren. Dann wird aus dessen "verzauberten Objekten" ziemlich schnell böse Magie.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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