Netznachrichten:Lobby-Schlachten, ausgetragen mit Emojis

Freudentränen-Emoji

Lachen oder Weinen, Häme oder Trauer? Menschen interpretieren die Bedeutung von Emojis häufig unterschiedlich.

(Foto: dpa)

Der ausgestreckte Mittelfinger und der glubschäugige Kackhaufen bekommen Gesellschaft - auch von politischen Botschaften. Aber was darf ein Emoji werden und was nicht?

Von Michael Moorstedt

Die vergangene Woche war eine gute für Sprachliebhaber und Typografen. Das liegt an der Einführung der neunten Version des Unicode-Standards. Der sorgt dafür, dass Computer Buchstaben, Ziffern und Zeichen interpretieren können. Jedem Schriftzeichen wird eine eindeutige Nummer zugewiesen, sodass dieses von jedem Rechner gleich dargestellt werden kann. Mehr als 7000 neue Zeichen wurden nun eingeführt. Neben dem Alphabet von Sprachen wie dem in Somalia gesprochenen Suaheli-Dialekt Bravanese waren darunter auch 72 neue Emojis.

Nach dem Update gibt es nun mehr als 1700 verschiedene dieser Zeichen. Vom ausgestreckten Mittelfinger hin zu einem glubschäugigen Kackhaufen ist alles vertreten, was man in der Alltagskommunikation im Internet eben so braucht. Laut einer Studie benutzen 92 Prozent aller Menschen mit Internetanbindung die Symbole. 2015 wurde das Tränen lachende Smiley-Gesicht vom Oxford Dictionary zum "Wort" des Jahres gekürt.

Emanzipation per Zeichensprache

Während manch einer noch immer vor Kulturverfall und drohendem Analphabetentum warnt, feiern gestandene Linguisten die Emojis als moderne Lingua Franca. Sie seien das technologisch vermittelte Äquivalent von Körpersprache, die der Zweideutigkeit von geschriebener Sprache wohltuend entgegenwirke. Gänzlich unintuitiv ist dagegen die Art und Weise, wie neue Zeichen ausgewählt werden. Verantwortlich dafür ist das sogenannte Unicode Consortium mit Sitz im Silicon Valley - wo auch sonst. Hier beraten Vertreter von Google, Apple, Facebook und allen anderen großen Tech-Konzernen im Vierteljahresturnus darüber, welches Wort, Objekt oder Phänomen würdig genug ist, um als Emoji zu dienen. Die Auswahl gerät dabei regelmäßig zum Politikum.

Als Apple im vergangenen Jahr die Emoji-Versionen von gleichgeschlechtlichen Paaren und Menschen mit unterschiedlichen Hauttönen vorstellte, wurde das auch als emanzipatorischer Erfolg gefeiert. Das Gewehr-Symbol wurde dagegen nach dem Amoklauf von Orlando aus dem Sortiment genommen. Immer wieder versuchen Lobbygruppen, die ihnen wichtigen Symbole durchzuboxen. Denn es gilt auch hier: Was nicht darstellbar ist, ist auch nicht vorstellbar. Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.

Dabei sind die Emojis laut einer Studie der Universität von Minnesota gar nicht so eindeutig, wie oft angenommen wird. Die Forscher fanden heraus, dass Menschen die Symbole oft sehr unterschiedlich interpretieren. Probanden sollten angeben, als wie positiv oder negativ ein Zeichen empfunden wird. Sogar bei dem berühmten Smiley gab es eine signifikante Abweichung. Abhilfe schafft vielleicht - wie so oft in letzter Zeit - der Einsatz künstlicher Intelligenz. Eine vergangene Woche vorgestellte App namens Dango verspricht, auf Basis der Texte die man ins Smartphone hackt, das passende Emoji vorschlagen zu können. Vielleicht schreiben und interpretieren die Geräte ihre Smileys in Zukunft also selbst.

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