Netzkolumne:Volle Kontrolle

Taylor Swift tut es, Justin Bieber und selbstverständlich auch Kim Kardashian: Immer mehr Stars und Berühmtheiten stellen eigene Apps zur Verfügung. Die Promi-App bringt Geld ein und macht unabhängig von Agenten und Algorithmen.

Von Michael Moorstedt

Es ist in Ordnung, Matt Hancock nicht zu kennen. Und das, obwohl der Mann doch eine wirkliche Ausnahmekarriere hinlegt: Studium an diversen Elite-Unis, dann 2010 im Alter von gerade mal 32 Jahren zum Abgeordneten ins britische Unterhaus gewählt worden, und seit etwas mehr als einem Monat ist er nun britischer Minister für Kultur, Medien, Sport und Digitales. Außerdem ist Hancock stolzer, nun ja, Besitzer einer eigenen App.

Wer sie startet, wird von einem dynamischen Video-Auftritt Hancocks begrüßt. Es gibt eine Fotogalerie seiner öffentlichen Auftritte, und außerdem soll das Programm als eine Art Bürgerforum für seinen Wahlkreis dienen. Geschenkt, dass es bei der Hancock-App zu Beginn ein paar Probleme mit den Privatsphäre-Einstellungen gab. Obwohl, wie würde man eigentlich als deutscher Smartphone-Besitzer reagieren, wenn man die Nachricht "Thomas de Maizière möchte auf deine Fotos zugreifen" auf seinem Bildschirm lesen würde?

Viel wichtiger ist aber, dass sich Mr. Hancock in seiner Funktion als Digitalminister voll im Trend befindet. Von Taylor Swift über Justin Bieber bis hin zu Kim Kardashian haben so gut wie alle Stars und Berühmtheiten inzwischen eine eigene App. Ja, selbst Persönlichkeiten wie Britney Spears oder Pamela Anderson, denen man erst mal eine nicht allzu große Zeitgeist-Vertrautheit unterstellen würde, haben ein eigenes Programm in die Bibliotheken von Apple und Google hochgeladen.

Bei manchen gibt es exklusive Fotos, Interviews oder Merchandising-Tand, andere wiederum wollen ihre Hardcore-Fans in einem eigenen sozialen Netzwerk, und die nächsten werben mit ihrem vermeintlich guten Namen für ein minderwertiges Online-Spielchen. Dem Erfolg tut das aber keinen Abbruch. Denn die Ego-App ist nicht nur eine Erweiterung im persönlichen Marken-Portfolio, sondern garantiert oft auch einen zuverlässigen Einnahmenstrom. Das Promi-Videospiel "Kim Kardashian: Hollywood" wurde seit seinem Erscheinen mehr als 40 Millionen Mal heruntergeladen und bringt seiner Namenspatronin jährlich einen - so wird kolportiert - zweistelligen Millionenbetrag ein.

Neben der althergebrachten Öffentlichkeitsarbeit und den obligatorischen Social-Media-Kanälen ist die personalisierte App aber nicht nur ein weiterer Übertragungsvektor für die üblichen Promi-Befindlichkeiten. Der Vorteil ist offensichtlich: Man behält volle Kontrolle über die Inhalte und ist nicht abhängig von sich ändernden Algorithmen der sozialen Netzwerke und Suchmaschinen, die darüber entscheiden, ob und wie prominent die eigenen Botschaften präsentiert werden. Die Mittelsmänner - PR-Agenten oder People-Magazine - werden obsolet, unliebsame Kommentare oder Nutzer können ohne Probleme stumm geschaltet werden, der Star wird zum Sender. Und überhaupt - wozu braucht man eigentlich noch Twitter, Facebook oder Instagram, wenn die Fans sogar für die eigene App bezahlen?

Bei so viel Mut zur Egozentrierung wundert es nicht, dass so manche Promi-App die Grenze zum Skurrilen gekonnt übertritt: Der Hanx Writer des bekanntermaßen von Schreibmaschinen besessenen Schauspielers Tom Hanks erzeugt auf dem Smartphone die Geräusche und das Schriftbild einer alten Triumph. Rapper Kanye West setzt seiner verstorbenen Mutter mit einem schwülstigen Videospiel ein Denkmal, eine weitere Kardashian-App ermöglicht individualisierte Emojis, und ausgerechnet David Hasselhoff berät in schwierigen Lebenslagen.

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