Netz-Depeschen:Höher stapeln

Ein Möchtegern-Baron und ein falscher Philosoph: Im Netz haben Hochstapler gute Chancen. Doch der angebliche Habermas-Tweet hat sich ausgezwitschert.

N. Hofmann

Jürgen Habermas twittert nicht. Das ist für 6387 Nutzer, die bei dem Mikroblogging-Dienst die Kurznachrichten des Philosophen zu verfolgen meinten, die große Enttäuschung der zurückliegenden Woche. Doch nachdem der echte Habermas seine Autorenschaft dementierte, hat sich der falsche Habermas mit einem Zwitschern des Bedauerns aus der Twitter-Welt verabschiedet.

Netz-Depeschen: Jürgen Habermas ist nicht unter die Mikroblogger gegangen. Der vermeintliche Twitter-Account des 80-jährigen Philosophen wurde von einem Hochstapler angelegt.

Jürgen Habermas ist nicht unter die Mikroblogger gegangen. Der vermeintliche Twitter-Account des 80-jährigen Philosophen wurde von einem Hochstapler angelegt.

(Foto: Foto: ddp)

Nun hat Hochstapelei eine lange und ehrwürdige Tradition. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Internet zumal den schauspielerisch weniger begabten unter den Schwindlern ganz neue Wirkungschancen eröffnet hat. Das zeigt auch die Geschichte von Baron Stefan Nathaniel Mayer Andrew Philip de Rothschild, "Philanthrop, Blogger und Autor", oder auch "eine führende Stimme im interkulturellen und interreligiösen Dialog und für weltweite Verständigung".

So jedenfalls stellte ihn die Huffington Post, eines der meistgelesenen Online-Medien der USA, ihren Lesern vor kurzem als neuen Autor vor.

Der erst 17-jährige, so beschrieb es auch sein Wikipedia-Eintrag, sitze im Vorstand der Immobiliengruppe Rothschild Estates, leite die Rothschild Global Foundation, sowie die Rothschild Foundation for the Arts, die, so legte er es den HuffPost-Lesern dar, sich unter anderem zum Ziel gesetzt habe, Stammestänze und das Verfassen von Romanen "in Sprachen, die nur von einigen wenigen Menschen auf der Welt gesprochen werden", zu fördern.

Für die Huffington Post, gegründet von der politisierenden Gesellschaftsdame Arianna Huffington, passte der junge Erbe perfekt ins Portfolio ihrer exklusiven Blogger-High-Society.

Allein, das weiß die Netzöffentlichkeit jetzt, es gibt weder die Rothschild Estates, noch eine der genannten Stiftungen. Und der titelverliebte junge Mann hinter Stefan de Rothschild hatte zuvor im Netz schon als Lord Stefan Roberts of Jersey und als Viscount St. Pierre posiert.

Die Wikipedia-Einträge und seine Artikel für die HuffPost wurden inzwischen gelöscht. Wie genau der Hochstapler bei ihr Blogger wurde, hat die Internet-Zeitung bisher nicht erklärt. Mit der Ankündigung, die Rothschild Estates würden den Erdbebenopfern von Haiti 2,5 Millionen Dollar spenden, brachte der Möchtegern-Baron es auch in die Online-Ausgabe der Washington Post. Da steht der Name Rothschild zur Stunde immer noch.

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