Netz-Depeschen:Haste mal 'nen Euro?

Über den Dienst Flattr kann man im Netz gelesene Texte freiwillig honorieren. Doch hat die Bezahlung von guten Inhalten nach dem Prinzip Almosen eine Zukunft?

Jens-Christian Rabe

Mit Texten im Internet wirklich Geld zu verdienen, ist noch immer fast unmöglich. Die Nachrichtenseiten der großen deutschen Magazine und Tageszeitungen etwa sind bei weitem noch nicht so lukrativ wie ihre Mutterblätter. Die meisten erlösen noch immer gerade einmal die laufenden Kosten. Wenn überhaupt. Und selbst die erfolgreichsten englischsprachigen Zeitungen im Netz, die New York Times und der Londoner Guardian, haben im Internet jeden Monat zwar sechs- bis zehnmal so viele Besucher wie die größte deutsche Nachrichtenseite Spiegel Online, die Einnahmen der Netzangebote sind trotzdem nicht mit denen der gedruckten Ausgaben vergleichbar. Und die Lage für Blogger und Journalisten, die auf eigene Faust im Netz publizieren, scheint dann nochmal aussichtsloser.

Netz-Depeschen: Eine kleine Spende für das Internet? Die Einnahmen von Netzangeboten sind nach wie vor nicht mit denen von gedruckten Zeitungen vergleichbar. Die Branche sucht nach Lösungen.

Eine kleine Spende für das Internet? Die Einnahmen von Netzangeboten sind nach wie vor nicht mit denen von gedruckten Zeitungen vergleichbar. Die Branche sucht nach Lösungen.

(Foto: AP)

Die Experimente mit Bezahlsystemen, die es Lesern ermöglichen, Beiträge direkt zu honorieren, werden dementsprechend wachsam beobachtet. In Deutschland liegt die Aufmerksamkeit seit März besonders auf dem schwedischen Social-Payment-Anbieter Flattr. Man kann sich dort registrieren lassen und ein Konto einrichten, auf das man jeden Monat eine frei wählbare Summe Geld einzahlt. Mindestens allerdings zwei Euro. Der Betreiber einer Internet-Seite wiederum kann unter seinen Beiträgen einen Flattr-Knopf installieren. Liest man ein Stück, für das man bereit ist, zu bezahlen, klickt man einfach auf den Button. Am Ende jedes Monats werden die Klicks eines Nutzers zusammengezählt und der Monatsbetrag zu gleichen Teilen an die Urheber der geklickten Inhalte ausbezahlt.

Wirklich reich geworden ist damit bislang natürlich noch kein Blogger. Die Berliner Tageszeitung taz bekam im Juni für ihr gesamtes Angebot im Netz nach eigenen Angaben 5590 Flattr-Klicks und eine Überweisung von 988,50 Euro. In den nun von dem Online-Magazin Carta zusammengestellten deutschen Flattr-Charts des Juli steht die taz mit dem Artikel "Falsche Jubelbilder" von Gereon Asmuth auf dem ersten Platz. Der Blick auf die Zahl der Flattr-Klicks ernüchtert allerdings eher: 219 Leser waren bereit, für das kleine Stück zu bezahlen, das davon erzählt, wie die ARD nach den Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten jubelnde Menschen vor dem Reichstag zeigte, aber verschwieg, dass deren Applaus nicht Wulff, sondern dessen Gegenkandidaten Joachim Gauck galt. Ansonsten ist in den Top-Ten noch dreimal der Journalist Stefan Niggemeier mit medienkritischen Beiträgen seines privaten Blogs vertreten, von dem auch schon im Juni zwei der drei meistgeklickten Flattr-Beiträge stammten.

Wer nach strenger und kundiger Kritik der etablierten Medien verlangt, nach Kontrolle der Kontrolleure, ist in den deutschen Blogs und Netzangeboten also nach wie vor genau richtig. Diesen alten Eindruck bestätigen auch die noch jungen Flattr-Charts. Sie zeigen aber eben auch deutlich, dass es auch im deutschen Netz längst Texte und Essays zu Politik, Recht und Gesellschaft, zum Rauchverbot, polizeilichem Machtmissbrauch und Vuvuzela-Tröten gibt, die es verdient haben, beachtet zu werden. Ob deren Bezahlung nach dem Prinzip Almosen eine Zukunft hat, wird sich zeigen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: