Netz-Depeschen (82):Fragen Sie ihren Arzt oder Psychiater

Copyright-Kommissare aufgepasst: Die Band Nine Inch Nails "verschenkt" gesammeltes Live-Material - hat damit jemand ein Problem?

K. Buess

Nachdem bereits Bands wie Mercury Rev oder Radiohead neue Alben ins Netz stellten und Fans zum Herunterladen aufriefen, dreht sich das Rad zum offeneren Umgang mit Urheberrechten und Musik nun noch etwas weiter. Das amerikanische Rockprojekt Nine Inch Nails "verschenkt" ihre Neuerscheinung "Another Version Of The Truth" über das Internet. Das Besondere ist die Entstehungsgeschichte: Vor der Tour im vergangenen Jahr wurden die Fans aufgefordert, die Konzerte mitzufilmen. Das gesammelte Material - eine Datenmenge von 400 Gigabyte - wurde im Januar ins Netz gestellt. Nutzer bastelten daraufhin einen 56 Tracks umfassenden Zusammenschnitt, der gemischt und gemastert wurde und nun - vorerst allerdings nur als Audiodatei - im Netz frei zugänglich ist. Bald soll auch eine DVD online bestellbar sein, ebenfalls kostenlos.

Netz-Depeschen (82): Trent Reznor von Nine Inch Nails zeigt sich freigiebig: Zum Abschied verschenkt das Rockprojekt 56 Tracks als digitales Album.

Trent Reznor von Nine Inch Nails zeigt sich freigiebig: Zum Abschied verschenkt das Rockprojekt 56 Tracks als digitales Album.

(Foto: Foto: Reuters)

Den Weg zum digitalen Album weist Nine-Inch-Nails-Projektleiter Trent Reznor auf seiner Webseite. Mit der Aufforderung an die Fans, selbiges mit der BitTorrent-Technik, also als "Datenstrom", herunterzuladen und zu teilen. Da die Rechte an den mitgeschnittenen Songs teilweise früheren Plattenfirmen gehören, ist das im Prinzip illegal und es könnte Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen geben. Ein Sprecher von Universal beantwortete die Frage nach den Rechten jedoch mit "Ehrlich gesagt - keine Ahnung". Dass außerdem eine juristische Verfolgung von Betreibern solcher Seiten schwierig ist, zeigt derzeit der "Pirate-Bay"-Prozess. Den Titel "Another Version Of The Truth" darf man also getrost als Kritik am Copyright-Verständnis der Musikindustrie deuten.

Mögliche Beschwerden wegen Urheberrechtsverletzungen kommentiert Trent Reznor auf seiner Homepage nonchalant. Er wisse auch nicht, an wen man sich damit wenden solle, am besten wohl aber an seinen Psychotherapeuten. Trüben dürfte die Euphorie zweierlei: Nine Inch Nails ist so etabliert, dass es leicht fällt, sich den Luxus zu leisten, die Musik zu verschenken. Zudem kündigte Reznor zeitgleich mit dem Erscheinen die mögliche Auflösung des Projekts an. In einer anderen Version der Geschichte ist das Album also schlicht ein letztes Dankeschön an die Fans, zum Abschied.

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