Netz-Depeschen:Eine Frage der Röhre

Das Thema Netzneutralität ist wieder da - diesmal geht es um Google, Telefonsex und erzürnte Netzanbieter.

Niklas Hofmann

An die letzte große Debatte über das Thema Netzneutralität kann sich mancher Internet-Nutzer wohl vielleicht vor allem deswegen erinnern, weil ihr ein Klassiker des Netzhumors zu verdanken ist.

Der greise US-Senator Ted Stevens hatte 2006 einen Vorstoß von Kollegen, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern, mit der Begründung abgeschmettert, das Internet sei eine "Abfolge von Röhren", die man nicht durch zu viele Daten verstopfen dürfte. Der Senator ist inzwischen abgewählt, doch das Thema eines freien Zugangs für Nutzer und Anbieter von Onlinediensten zu den Leistungen der Internet-Service-Provider ist wieder auf der Tagesordnung.

Nach der Rede, in der Julius Genachowski - als neuer Vorsitzender der Federal Communications Commission (FCC) der oberste Regulierer der US-Kommunikationsmärkte - sich am vergangenen Montag hinter die Netzneutralitäts-Bewegung stellte und verschärfte Regularien ankündigte, zeigt sich, dass es noch ein harter Kampf werden könnte, diesen Ansatz durchzusetzen.

Zwar jubelten Verbraucherschützer und Betreiber von Webdiensten, und selbst der Nestor der Bewegung für ein freies Internet, Stanford-Professor Lawrence Lessig, beklatschte das Vorhaben der FCC als "perfekt". In feierlichen Worten begrüßte auch Googles Vizepräsident Vint Cerf die Pläne Genachowskis, der den Kampf aufgenommen habe "das Internet als Motor für Innovation, Wirtschaftswachstum, gesellschaftlichen Diskurs und freien Gedankenfluss zu schützen".

Dagegen gingen jedoch Provider und Telekommunikationskonzerne schon in Gefechtsstellung. Er erkenne diese "sogenannten Barrieren gegen Innovation im Internet" überhaupt nicht, gab etwa David E. Young vom Telefonanbieter Verizon zu Protokoll. Eine Reihe von republikanischen Senatoren kündigten an, die Regulierungskompetenzen der FCC beschneiden zu wollen.

Den ersten Schlagabtausch führen die Netzanbieter unterdessen mit dem seit Jahren eifrig für die Netzneutralität trommelnden Unternehmen Google. Die Service-Provider sehen in dem Suchmaschinengiganten vor allem einen unfairen Konkurrenten, der sich durch die Fesseln, die er ihnen anzulegen sucht, seinen eigenen Vorteil sichern will.

Dass man den Kaliforniern nichts mehr schenken will, macht vor allem der Telekommunikationsriese AT&T deutlich. Dessen Firmenvorstand schrieb einen Brief an die FCC, in dem er Google des Verstoßes gegen die Regeln der Kommission bezichtigte. Denn über dessen Online-Telefondienst Google Voice können manche Telefonnummern nicht angerufen werden.

Hierbei geht es unter anderem um Telefonsex-Anbieter, die AT&T und anderen Firmen exorbitante Preise für Ferngespräche in Rechnung stellen. Während die Telefonkonzerne diese Nummern laut FCC nicht sperren dürfen, nimmt sich Google eben dieses Recht heraus, klagen die AT&T-Chefs. Die prompte Gegenargumentation aus Mountain View: Google Voice sei eine Software-Anwendung, falle also nicht unter die Vorschriften für herkömmliche Telefonverbindungen.

Dass die Service-Provider entschlossen sind, den Spieß nun gegen die Lobbyisten der verstärkten Regulierung zu drehen, könnte auch Amazon erfahren. Der Internet-Buchhändler ist ein weiterer exponierter Advokat der Netzneutralität, der nun ins Fadenkreuz erzürnter Netzanbieter gerät. Wie sich denn die neuen Leitlinien der FCC auf den von Amazon höchst restriktiv gehandhabten Zugang zum Digitalbuch E-Book Kindle auswirken würden, fragte Chris Guttman-McCabe vom Verband der Mobilfunkindustrie schon einmal in aller Unschuld.

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