Netz-Depeschen:Davon träumt die Stasi

Ein anonymer Mitarbeiter verrät im Interview, wie Facebook die Daten seiner Mitglieder filtert. Daraus lassen sich detaillierte Psychogramme erstellen.

Johannes Boie

Irgendwann, wenn es dann überhaupt keine Geheimnisse mehr auf der Welt gibt, soll bitte niemand sagen, man hätte das Ende der Privatsphäre nicht vorausahnen können. Schließlich ist zum Beispiel das Interview auf therumpus.net, in dem ein anonymer Facebook-Mitarbeiter letzte Woche über die internen Speicher- und Zugriffsmöglichkeiten auf private Daten ausführlich sprach, für jeden Surfer lesbar. Und damit auch für die 350 Millionen Facebook-Mitglieder weltweit, die - wenn man dem Anonymus Glauben schenken möchte - Opfer einer Überwachungstechnik sind, von der die Stasi nur träumen könnte.

Netz-Depeschen: Zur Sicherung des Eigentums, und sei es nur ein alter Drahtesel, lassen sich Menschen viel einfallen. Geht es um ihre persönlichen Daten im Netz, sieht die Sache anders aus - ganz anders.

Zur Sicherung des Eigentums, und sei es nur ein alter Drahtesel, lassen sich Menschen viel einfallen. Geht es um ihre persönlichen Daten im Netz, sieht die Sache anders aus - ganz anders.

(Foto: Foto: ddp)

Quintessenz des Interviews: Facebook speichert jederzeit alles. Dauerhaft. Selbst Daten, die den eigenen Nutzern, ja sogar jenen Facebook-Mitgliedern, die diese Daten verursachen, vorenthalten werden. Zum Beispiel, welcher Nutzer wann welches Profil anklickt. Auf der anderen Seite löscht Facebook nichts. Selbst Nachrichten, die von einem Nutzer gelöscht wurden und ihm nie mehr angezeigt werden, existieren weiterhin auf Facebooks-Servern als Teil eines riesigen Netzwerkes aus personenbezogenen Daten, aus dem sich äußerst detaillierte Psychogramme erstellen lassen.

Die Techniker der Webseite nutzen die so gewonnenen Erkenntnisse, um die Seite mehr und mehr den Bedürfnissen ihrer Nutzer anzupassen. Der anonyme Mitarbeiter spricht im Interview zum Beispiel von Namenslisten, die nicht länger alphabetisch geordnet sind, sondern nach der Zuneigung, die der Nutzer für die aufgelisteten Menschen empfindet. Bislang gibt es diese Funktion bei Facebook noch nicht. Außerdem, sagt der anonyme Mitarbeiter, haben Facebook-Mitarbeiter Zugriff auf sämtliche Daten aller Nutzer und können sich per Mausklick im Namen und in das Profil jedes beliebigen Nutzers einloggen. Ferner ist für die Mitarbeiter der Zugriff auf die Datenbank des Netzwerkes äußerst simpel. Sie kann nach Stichworten und Namen durchsucht werden. Immerhin: Wer die Funktionen missbrauche, werde gefeuert, heißt es in dem Interview.

Dem Anonymus zu glauben ist nicht weiter schwer. Zu detailliert sind die Angaben, zu tief die Einblicke in das Innenleben von Facebook, die er in seinen Antworten gewährt, als dass das ganze Interview ausgedacht sein könnte - wie Kritiker im Netz behaupten. Dass Kleinigkeiten in dem Text nicht immer plausibel sind, erklärte der Chefredakteur von therumpus.com, Stephen Elliott, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung damit, dass ein einzelner Mitarbeiter nicht alle Details über seinen Arbeitgeber wissen könne. Facebook ignorierte derweil eine Anfrage dieser Zeitung, äußerte sich aber gegenüber der Technikseite Techcrunch.com: "Das Interview enthält jene Art von Ungenauigkeiten und Fehlinterpretationen, die man von jemandem, der anonym bleiben möchte, erwartet. Dabei wollen wir es belassen." Ein Dementi sieht anders aus.

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