Netz-Depeschen:All die schönen Sätze

Die amerikanische Nationalbibliothek will das Archiv von Twitter für die Nachwelt bewahren - Zyniker meinen, bei der Gleichförmigkeit der Nachrichten müsse dafür eine Floppy Disk ausreichen.

M. Moorstedt

Willkommen in der Zetabyte-Ära. Mit der kryptischen Vorsilbe behalf man sich in einer jüngsten Studie, um das Wissen der Welt zu quantifizieren. Es steckt ein Zahlenungetüm mit 22 Stellen dahinter. Ungefähr zwei Promille davon lagert in den Archiven der Library of Congress in Washington D.C.

Diskette

Wie unpassend, dass ausgerechnet jetzt, wo man Twitter auf einer Diskette archivieren könnte, Sony als letzter Hersteller wegen mangelnder Nachfrage die Produktion der 3,5-Zoll-Diskette einstellt.

(Foto: Foto: oh)

Bald wird sich das Volumen gehörig erweitern. Mit Verweis auf den Einsatz des Dienstes im US-Wahlkampf 2008 oder seiner Rolle bei den Protesten nach den iranischen Wahlen 2009 kündigte die amerikanische Nationalbibliothek vor zwei Wochen an, das gesamte Archiv des Kurznachrichtendienstes Twitter archivieren zu wollen.

Die Kritik folgte prompt, so an der fragwürdigen Aussagekraft der Tweets. Wer alles speichere, der behalte am Ende nichts. Bei einer solchen Datenmenge seien Selektion und Einordnung schlicht unmöglich. Ein Gutes habe das Ganze ja, schrieb ein Zyniker - dank der Gleichförmigkeit der Statusmeldungen über Lunchpakete und Mittagsschläfchen ließe sich die Datenflut sicher auf eine Floppy-Diskette komprimieren. Wie unpassend, dass Sony als letzter Hersteller Mitte der vergangenen Woche meldete, wegen mangelnder Nachfrage die Produktion der 3,5-Zoll-Diskette einzustellen.

Cloud Storage soll das Speicherproblem in Zukunft lösen. Doch auch hinter dieser Utopie stecken physische Datenträger, wie die Serverfarmen von Google. Magnetspeicher und Plastikscheiben werden jedoch zerfallen. Was die Lebensdauer anbelangt, kam noch kein digitales Speichermedium an eine Seite säurefreies Papier heran. Herausforderungen, denen sich nun auch vermehrt die Library of Congress stellen muss. Zusätzlich zu den 150 Millionen Büchern, Handschriften und Fotos prasseln nun täglich rund fünfzig Millionen Twitter-Meldungen in die Speicher der Bibliothek.

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