Netz-Depeschen:Alice im Videoland

Als Lewis Carrolls Alice zum ersten Mal ins Kino kam, war der Film mit zwölf Minuten eindeutig zu lang. Heute sind nur noch neun Minuten übrig - die gibt es jetzt auf YouTube.

N. Hofmann

Das British Film Institute (BFI) präsentiert die allererste Verfilmung des Carroll-Buchs nun bei Youtube in annähernd voller Länge - drei Minuten bleiben verschollen. Es ist den Briten gelungen, die Bildqualität von "Alice im Wunderland" aufzubessern und die ursprünglichen Farbtönungen des Filmmaterials wieder herzustellen. Auch wenn viele Beschädigungen an dem mitgenommenen Streifen nicht mehr auszugleichen waren, lässt sich "Alice" nun wieder in voller Schönheit betrachten: Wenn sie mittels Mehrfachbelichtung vor laufender Kamera schrumpft, zeigt sich, dass der Stoff schon lange vor Tim Burton die Spezialeffekt-Liebhaber unter den Regisseuren auf den Plan gerufen hat.

Mit der strategisch günstigen Präsentation zum Kinostart von Burtons "Alice"-Version hat das BFI Sinn für gutes Timing bewiesen und gezeigt, dass es versteht, sich die Kostenlos-Kultur von Youtube zur Eigenwerbung zu Nutze zu machen. Die gemeinnützige Organisation ist auf Einnahmen aus Filmvorführungen und dem DVD-Verkauf angewiesen.

Aber der Youtube-Kanal des Instituts ist voll wunderbarer Fundstücke. Eine Sammlung historischer Straßenszenen aus London, die das BFI im letzten Sommer online stellte, fand viele Zehntausende Zuschauer, während die Interessentenzahlen für die spärlichen Clips, die deutsche Filmarchive im Netz anbieten, oft nur dreistellig sind. In der digitalen Erschließung der audiovisuellen Archive für eine große Nutzerzahl ist nicht nur Großbritannien viel weiter als Deutschland. Das nationale Bild- und Tonarchiv Frankreichs INA macht regen Gebrauch von Youtube und hält auf der eigenen Website eine unüberschaubare Menge an historischem Material vor. Fast 2000 Clips kann man allein zum Thema Algerienkrieg abrufen.

Das Filmportal von Deutschem Filminstitut und Kinemathekverbund dagegen nutzt Youtube fast nur, um mit Kinotrailern die aktuelle deutsche Filmproduktion zu bewerben. Über den Youtube-Kanal der europäischen Filmarchive "filmarchives online" haben das Filminstitut und auch das Bundesarchiv zwar einige historische Dokumentaraufnahmen online gestellt. Von einer stolzen Präsentation der eigenen Bestände ist die karge Clip-Sammlung aber weit entfernt.

Dabei weiß gerade das Bundesarchiv, welche Resonanz seine Arbeit im Netz finden kann. Seit es Ende 2008 mehr als 80 000 Fotos aus seinen Beständen unter einer Creative-Commons-Lizenz den Wikipedia-Nutzern zur weitgehend freien Verfügung gestellt hat, gehören die deutschen Aufnahmen zu den wichtigsten Bildquellen der Netzenzyklopädie überhaupt.

Im Video: Johnny Depp und Regisseur Tim Burton haben nach "Edward mit den Scherenhänden" und "Sweeney Todd" nun einen Kinderbuch-Klassiker verfilmt - "Alice im Wunderland".

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