Nebeneinkünfte von TV-Moderatoren:Einnehmende Wesen

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Kompetent, populär, glaubwürdig? Fernsehmoderatoren wie Tom Buhrow sind keine Beamten. Trotzdem ist bei ihren Nebentätigkeiten mehr Transparenz nötig.

Hans Leyendecker

Mittwochabend, kurz nach 23 Uhr, war auf dem NDR-Gelände in Hamburg-Lokstedt noch Betrieb. Aus dem Studio in Haus 15 wurde das Medien-Magazin "Zapp" gesendet, in Haus 18, etwa hundert Meter Luftlinie entfernt, moderierte Tom Buhrow die "Tagesthemen". Als er gerade über die Lage im Iran sprach, rückte er auch bei Zapp groß ins Bild: Der Zuschauer erfuhr, dass der Moderator für gutes Honorar auf Handwerksmessen und vor Sparkassenkunden auftritt und auf einer sicherlich sehr spritzigen Veranstaltung im Sektkeller von Henkell & Co. im April 2008 gegen Honorar den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck interviewt hat.

Ein besserer Stundenlohn als Josef Ackermann: "Tagesthemen"-Moderator Tom Buhrow. (Foto: Foto: AP)

Ein gefragter Ansager. Anlässlich eines für den September vorigen Jahres geplanten Internationalen Kapitalmarktforums der Deutschen Bank bestand Buhrows holländische Agentur Speaker Ideas auf der Auszahlung des Gesamthonorars in Höhe von 20000 Euro, obwohl die Veranstaltung abgesagt worden war. Buhrow sollte morgens von 10.30 Uhr bis 11 Uhr vor der Kaffeepause reden. Solchen Stundenlohn hat nicht einmal Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann: "Tom Buhrow - nur einer von vielen Fernsehprominenten auf der schwierigen Gratwanderung zwischen journalistischer Glaubwürdigkeit und kommerzieller Vermarktung", klang es in der NDR-Sendung.

Abgreifen, einsacken, mitnehmen

Nicht nur notorische Zapper wird der doppelte Buhrow an diesem Abend irritiert haben. Nebentätigkeiten der ARD-Börsenexpertin Anja Kohl, des ARD-Sportmoderators Michael Antwerpes oder des ZDF-Duos Petra Gerster und Claus Kleber wurden vorgestellt, und auffällig war, dass fast alle der TV-Journalisten nicht vor die Kamera wollten. Einzig ein Ehemaliger, der frühere ARD-Börsenexperte Frank Lehmann, traute sich: "Wenn Sie meine Honorare sähen, dann lächeln hier einige, die richtig abgreifen", sagte er im passenden Jargon.

Abgreifen, einsacken, mitnehmen - warum beschäftigt sich ein öffentlich-rechtliches Magazin nicht auch mit den Auftritten der Fernsehgrößen der privaten Konkurrenz?, fragte mancher Kritiker am Donnerstag. Die Antwort gibt Jan Rock von der Sektkellerei. Einer wie Buhrow sei "kompetent, populär und glaubwürdig", ein Öffentlich-Rechtlicher eben. Kassieren Fernseh-Gesichter also nicht nur, sondern werben für ihre Sendungen, weil sie auch aus der Nähe betrachtet so furchtbar nett sind?

Auch Printjournalisten kassieren für Vorträge und Reden, wenngleich deutlich weniger. Das Thema Nebentätigkeiten prominenter oder semi-prominenter Fernseh-Journalisten löst nicht nur beim NDR heftige Reaktionen aus. Einige der Betroffenen ereifern sich über den Neid der anderen, die nicht so gefragt sind und verweisen auf ihren "erarbeiteten Marktwert": "Ich lasse mich doch nicht kaufen", sagt einer von ihnen und möchte seltsamerweise mit diesem Satz nicht zitiert werden.

Professionell und unabhängig

Eine der sich aufdrängenden Fragen lautet: Kommt Buhrow, der als Kind, wie er gern erzählt, sein erstes Geld mit Rasenmähen und Laub fegen vor der Kirche verdiente, mittlerweile privat auf seinen ansehnlichen Stundenlohn, weil er der Buhrow oder weil er der Buhrow von den Tagesthemen ist, die es seit Jahrzehnten gibt? In allen Fällen können die festangestellten Mitarbeiter auf Genehmigungen ihrer Vorgesetzten verweisen.

Das war in zumindest einem Fall auch deshalb einfach, weil der Vorgesetzte von derselben Agentur angeboten wird wie die Journalistin, deren Genehmigung er unterschrieb. "Was Frau Kohl und Herr Buhrow auf dem Sender zeigen, demonstriert stets Professionalität und Unabhängigkeit. Ich sehe keinen Anlass, aus Auftritten, die ARD-Moderatorinnen und -Moderatoren außerhalb ihres Arbeitsplatzes haben, quasi automatisch einen Verlust an journalistischer Unabhängigkeit abzuleiten", sagt ARD-Chefredakteur Thomas Baumann. "Die Nebentätigkeiten von Tom Buhrow waren genehmigt", sagte der für die Tagesthemen zuständige ARD-Aktuell-Chef Kai Gniffke. "Bislang gab es keinen Anlass zu der Annahme, dass die journalistische Unabhängigkeit von Tom Buhrow in Gefahr geraten sein könnte." Deshalb, so Gniffke, sehe er keine Beschädigung der Glaubwürdigkeit der "Tagesthemen".

Die Sender erfahren in aller Regel nicht die Höhe der Honorare - das ist Privatsache. Bei Beamten ist das anders. Sie müssen ihre Nebentätigkeiten vorher anzeigen und nachher die Höhe des Entgelts genau angeben. Aber sind Journalisten mit Beamten vergleichbar? Buhrow ist sicherlich kein Beamten-Typ. "Guten Abend meine Damen und Herren. Wie viel dürfen Manager verdienen? Und wer soll das entscheiden?" moderierte er 2007 einen Beitrag in den "Tagesthemen" an. "Wenn jeder einzelne Manager seine Einkünfte offen legen soll, dann wird man vielleicht darauf bestehen, dass die Abgeordneten das genau so tun sollen."

Lesen Sie auf Seite 2, was Helmut Markwort in sein Tagebuch notierte.

Ist Transparenz ein Wort, das nur für die anderen gilt? Für Journalisten gibt es keine speziellen Gesetze, sondern beispielsweise den Pressekodex des Presserats. In Ziffer 7 steht, dass "persönliche wirtschaftliche Interessen" der Medienleute "redaktionelle Veröffentlichungen nicht beeinträchtigen" dürfen; und Ziffer 15 macht klar, dass die "Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit" zu beeinträchtigen, mit dem "Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar" ist.

Die von ARD-Chefredakteur Baumann hochgelobte Börsenfrau Anja Kohl macht vor der Kamera Aufsager wie: "In puncto Energie greift eine ganz simple Logik. Die Preise sind noch weiter gestiegen, der Kunde bezahlt noch mehr, der Energiekonzern verdient noch mehr (...) Eon und RWE-Aktien waren weiter gefragt". - "Ja, ich bin die Böse im Ersten. Kleiner Scherz", stellte sie sich etwa als Moderatorin einer Veranstaltung "Kernenergie in Deutschland - ungeliebt aber nötig?" vor. "Tatsache ist, dass wir in Deutschland mit und durch die Kernenergie leben", erklärte Frau Kohl, bevor sie das Podium präsentierte. "Ich darf Sie jetzt noch im Namen des Informationskreises Kernenergie zum Empfang einladen, damit wir uns auch noch austauschen können", rief sie am Ende.

Bis zur Pedanterie korrekt

Gewinnbringende Arbeitsgemeinschaften ohne kritische Distanz gibt es in etlichen Sparten des Journalismus. Oft beschrieben wurde die klebrige Nähe einiger TV-Sportjournalisten zu den Sportlern und Sportartikel-Firmen, aber wahr ist auch, dass - wie früher im Radsport - die Sender selbst längst nicht mehr Berichterstatter, sondern Co-Vermarkter, "Medienpartner" oder sogar Team-Sponsor geworden sind. Das derart zelebrierte kumpelig-kuschelige mediale Miteinander ist mit keiner Ziffer des Pressekodex vereinbar. Wenn ARD-Antwerpes oder ZDF-Poschmann Veranstaltungen von Firmen moderieren, müssen sich beide nicht umstellen. Es reicht, wenn sie es so wie immer im Fernsehen machen.

Nebeneinkünfte sind keine Erfindung der neuen Gier-Zeit. Als Streitthema haben sie Tradition im deutschen Fernsehen. Als der selige Werner Höfer Programmdirektor beim WDR war, ließ er im November 1969 ein Rundschreiben verschicken: "Aus gegebenem Anlass bittet Herr Höfer, in der rechtzeitigen Information der Programmdirektion über geplante Nebentätigkeiten (auch im Hause) bis zur Pedanterie korrekt zu sein." Damals wurden die Festangestellten sogar für zusätzliche Moderationen im Haus extra bezahlt. Wahr ist aber auch, dass Höfer, dessen "Internationaler Frühschoppen" 34 Jahre lang zu sehen war, nebenher vermutlich mehr verdient hat, als ein Buhrow heute. Höfers jährliche Nebeneinkünfte wurden damals auf 800000 Mark im Jahr geschätzt, das war viel.

Höfer war jede Mark wert. Niemand hätte es gewagt, deshalb seine Unabhängigkeit in Frage zu stellen. Das ist, Baumann her oder hin, heute bei manchen Sprechern und Moderatoren, die sich als leblose Plapperpuppen verkannt sehen und auch deshalb nach Popularität gieren, sicher anders. Auch fällt auf, dass die Sendeanstalten das Thema manchmal selbst forcieren, wenn sie sich von Mitarbeitern trennen wollen. Bei den Guten wiederum soll das in internationalem Maßstab sehr normale Salär durch die Nebentätigkeit aufgestockt werden.

Beträchtliches Vertrauen

Auch bedarf das Thema Nebeneinkünfte und Transparenz der Ergänzung. So gelten seit ein paar Jahren in einigen Redaktionen Insiderregeln für Journalisten, die über Aktien schreiben. Regelfall soll sein, dass sie keine Wertpapiere von Firmen aus Branchen besitzen, über die sie berichten. Entweder müssen sie sofort die Aktien verkaufen oder den Gegenstand ihrer Berichterstattung wechseln. Es hat eine Weile gedauert, bis es zu solchen Einsichten kam.

Beim Magazin Focus war bis Januar 1999 ein Journalist für Geldanlagen zuständig, der auch Chef einer Investmentfirma war. Focus-Chef Helmut Markwort notierte 1996 in seinem "Tagebuch": "Nachdem wir das Titelthema über Aktien diskutiert haben, werden mehrere Teilnehmer der Redaktionskonferenz beobachtet, wie sie eilig ihre Bank anrufen. Das Vertrauen in die Kollegen, die über nichts anderes recherchieren und schreiben als über Geldanlage, ist seit langem beträchtlich. Erstens, weil sie ihre eigenen Tipps beherzigen, und zweitens, weil sie ganz einfach wohlhabend wirken."

Bei Henkell & Co. zu Mainz steht nächsten Donnerstag ein Jubiläum an. Zum 50. Mal findet das Henkell-Forum statt und diesmal soll im Sektkeller FDP-Chef Guido Westerwelle von der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka befragt werden.

© SZ vom 19.06.2009/kar - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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