NDR-Hörfunkdirektor:"Eine ganz andere Breite und Tiefe"

Joachim Knuth

Legt dank Elbphilharmonie neue Formate auf: NDR-Hörfunkdirektor Joachim Knuth.

(Foto: Christine Raczka/NDR)

Joachim Knuth rechnet damit, dass die Elbphilharmonie für den deutschen Orchester-Spielbetrieb eine extreme Bereicherung sein wird.

Interview von Stefan Fischer

Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) ist sowohl Kulturvermittler als auch Kulturproduzent. Auf beiden Feldern wird die Elbphilharmonie eine wichtige Rolle für die ARD-Anstalt spielen, vor allem im Radioprogramm. Joachim Knuth, der Hörfunkdirektor des NDR, setzt große Hoffnungen in diese neue Hamburger Symbiose.

Herr Knuth, was bedeutet die Elbphilharmonie für den NDR?

Joachim Knuth: Sie ist für unseren Orchester-Spielbetrieb extrem bereichernd - ein Gebäude mit großer Anziehungskraft, mit internationaler Ausstrahlung. Dazu wird das NDR-Elbphilharmonie-Orchester als Residenzorchester beitragen. Wir identifizieren uns sehr mit dem neuen Konzertsaal, deshalb hat sich unser Ensemble auch umbenannt.

Wie wichtig ist umgekehrt der NDR für die Elbphilharmonie?

Die Elbphilharmonie kann von uns eine breite mediale Begleitung erwarten. Allen voran durch eine hohe Zahl von Liveübertragungen unseres Orchesters. Wir werden aber auch versuchen, Auftritte anderer Orchester zu übertragen oder mitzuschneiden, wie das bei der Eröffnung am 13. Januar mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter der Leitung von Kent Nagano der Fall sein wird.

Hatte der NDR Einfluss auf die akustische und technische Ausstattung?

Wir haben die Radiotechnik mitentwickelt. Künftig brauchen wir keine Ü-Wagen mehr, wie das in der Laeiszhalle der Fall ist, unserer bisherigen Spielstätte. In der Elbphilharmonie haben wir eine eigene Audioregie für unseren dortigen Sende- und Produktionsbetrieb. Anderes haben wir nicht mitentwickelt, wir sind Mieter. Aber was wir seit Anfang September tun: Der Chefdirigent Thomas Hengelbrock und das Orchester spielen den Saal ein. Insofern sind wir auch an der Entwicklung, am Feintuning des Klanges beteiligt.

Inwiefern profitieren die Radiohörer in Kiel, Rostock oder Hannover?

Wir haben für die erste Zeit die Zahl unserer Konzerte um etwa ein Drittel erhöht. 70 Konzerte sind bis Mitte 2017 dort geplant. Das wird sich im Programm von NDR Kultur widerspiegeln. Deshalb ist es ja ein Rundfunkorchester, damit man dessen Auftritte im Radio hört. Und: Der Run auf die Elbphilharmonie ist sensationell, wir haben alle Karten bis Saisonende Anfang Juli verkauft und hätten noch viel mehr verkaufen können. Da wollen jetzt alle hin. Wer aktuell aber keine Karten bekommen hat, kann im Radio schon einmal hören, wie es jetzt in der Elbphilharmonie klingt.

Die Elbphilharmonie verhilft dem NDR zu einem größeren Publikum?

Wir haben ein facettenreiches Programm, gehen noch einmal in einer ganz anderen Breite und Tiefe rein. Der Ansturm auf die Elbphilharmonie wird durch die vielen Konzertübertragungen mutmaßlich noch größer werden. Schon jetzt hat sich die Zahl unserer Abonnenten auf fast 8200 beinahe verdoppelt. Wir legen neue Formate auf, etwa die "Konzerte für Hamburg". Das sind 40 Stundenkonzerte mit Kartenpreisen zwischen sechs und 18 Euro. Freitags und samstags machen wir Late-Nights mit dem Orchester und unserem jungen Radioprogramm N-Joy. Da mischen wir zum Beispiel Beethovens Fünfte mit Gershwin und dem Singer-Songwriter Tim Bendzko.

Ist diese Schlagzahl auf Dauer zu halten?

Nein, die werden wir mittelfristig verringern müssen. Für die ersten Spielzeiten haben wir Geld angespart; wenn es gut läuft, reichen die Investitionsmittel bis 2018/19. Danach müssen wir die neue Breite und Vielfalt in diesem Konzertsaal programmlich verstetigen. Ich halte ihn für so einladend, dass es ein Publikum geben wird, das sagt: Eigentlich hören wir diese klassische Musik oder Cross-over-Programme erst, seit es die Elbphilharmonie gibt.

Was bedeutet der starke Fokus auf die Elbphilharmonie für das Engagement der NDR-Orchester im übrigen Sendegebiet?

Da wird es keine Einschränkungen geben. Wir werden unverändert beim Schleswig-Holstein-Musikfestival dabei sein, bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, wir haben keine Einbußen für unsere Konzertreihen in Wismar, Lübeck, Kiel. Unser zweites großes Ensemble, die Radiophilharmonie in Hannover, werden wir genauso positionieren und finanzieren wie bisher. Und was mögliche Konzertreisen angeht, wird das Elbphilharmonie-Orchester durch sein neues Domizil eher attraktiver.

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