Nazibild zum Naumburger Dom:Von der Reichskanzlei ins Auktionshaus

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Adolf Hitler und Joseph Goebbels (links) bei Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung in München im Juli 1939. Dort erstand Hitler das Bild "Naumburger Dom".  (Foto: Scherl)

Es war ein Gemälde, das Adolf Hitler sehr mochte. Nach dem Krieg schmückte die Ansicht des Naumburger Doms von Karl Walther dann diverse Amtsstuben, bevor sie 2001 verhökert wurde. Jetzt taucht das Nazibild in einer Kunstauktion auf, was deplatziert wirkt.

Von Ira Mazzoni

Das Ölbild mit der Losnummer 4629 ist eine scheinbar harmlose, leicht verschmutzte Vedute: Ein blauer Herbsttag gibt den Blick durch dürres Baumgeäst auf die Nordwestflanke des Naumburger Doms frei. Das Auktionshaus Wendl im thüringischen Rudolstadt setzt auf seiner Auktion am kommenden Samstag für diese Mittelmäßigkeit ein Limit von 650 Euro fest.

Auf der Rückseite klebt ein Etikett: "Große Deutsche Kunstausstellung". 1939 erzielte das Werk Karl Walthers (1905-1981) dort sagenhafte 3500 Reichsmark, was einem durchschnittlichen Jahresgehalt entsprach.

Der Käufer war Adolf Hitler, der Bestimmungsort die Reichskanzlei in Berlin. Das Bild vom Westchor des Doms zeigt einen Ort, den die NSDAP in einer Feierstunde 1938 ideologisch vereinnahmt hatte. Der Maler verdiente gut in diesen Jahren, er stellte 28 solcher Bilder in der "Großen Deutschen Kunstausstellung" zwischen 1937 und 1944 aus. Hitler, der sich selbst in dem Genre versucht hatte, mochte diese Architekturansichten.

Wie kommt ein solches Bild aus ehemaligem Staatsbesitz in ein Auktionshaus? 1945 bargen die Amerikaner die Naumburg-Vedute mit anderen Bildschätzen der Nazis im Salzstock von Bad Aussee und brachten sie zum Central Collecting Point (CCP) nach München, wo das Bild unter der Nummer 11739 verzeichnet wurde.

Aufgabe der Kunstoffiziere des CCP war es, entwendete Stücke wenn möglich an die ursprünglichen Eigentümer und ihre Erben zu restituieren. Mehr als eine Million Kunstobjekte wurden erfasst und bis auf wenige Tausend Objekte zurückgegeben.

Mit Diplomaten in die Welt geschickt

Die zwischen 1933 und 1945 nachweislich legal erworbene Kunst aus den Nazi-Amtsstuben und Residenzen aber blieb liegen. Zusammen mit den ungelösten Restitutionsfällen geriet der Restbestand des CCP in die Obhut des bayerischen Ministerpräsidenten. Am 22. Februar 1952 - nachdem die Tätigkeit des Deutschen Restitutionsausschusses offiziell beendet war - wechselte der belastete und belastende Restbestand des CCP in die Treuhänderschaft der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts.

1955 kam das lichte Naumburger-Dom-Bild als Leihgabe von München nach Bonn ins Auswärtige Amt und schmückte fortan ganz unverfänglich ein Büro. So steht es in der Kartei. 1962, als rund 20.000 Kunstwerke an den Bundesschatzminister übergeben wurden, ging das Stück mit der Nummer 11739 offenbar endgültig ins Eigentum des Ministeriums über, das es fortan mit seinen Diplomaten in die Welt schickte.

Es tat seinen Dienst für die Kulturnation, bis es doch zu altmodisch verstaubt wirkte: 2001 stufte das Referat für Auslandausstattung im Auswärtigen Amt das Gemälde als "entbehrlich" ein und verhökerte es, da "Restitutionsansprüche auszuschließen sind". Das Amt erklärt knapp: "Der Erlös ist dem Bundeshaushalt zugeflossen."

Das Deutsche Historische Museum wäre der richtige Aufbewahrungsort

Während die Museen ihre Objekte aus enteignetem Nazi-Vermögen wegschließen und einen Verkauf moralisch ablehnen, um die aktuelle Nazi-Szene weltweit nicht mit Devotionalien zu füttern, tut das Auswärtige Amt so, als sei ein Verkauf normal und im Sinne des Steuerzahlers.

Wäre der Bund nicht in der Pflicht, die Hinterlassenschaften des Dritten Reiches - und mögen sie noch so harmlos erscheinen -, einzukassieren und dem Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin zu übereignen? Das schlägt Stephan Klingen vom Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte vor, denn im DHM lagern schon die Bilder aus der Großen Deutschen Kunstausstellung, die sich 1945 noch in den Münchner Depots befanden.

Das Geschichtsmuseum wäre tatsächlich der richtige Ort, um Kunst und Krempel aus ehemaligem NS-Partei- und Staatsbesitz, der nach 1952 an Museen und Ämter überwiesen wurde, zusammenzuführen und der Forschung zu übergeben. Allein: Depotplätze sind rar und teuer.

© SZ vom 28.02.2013/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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