Navid Kermani über den christlichen Bilderreichtum:Wünschelruten der Sinnlichkeit

Ein Muslim erforscht christliche Bilder, von Botticelli bis Caravaggio: Navid Kermanis "Ungläubiges Staunen" ist ein Erbauungsbuch im besten Sinne, das die Religionen zusammenbringen kann.

Von Johann Hinrich Claussen

Manchmal entwickeln sich Dinge auch zum Guten. Ein Beispiel dafür ist das Verhältnis von Christen und Muslimen in Deutschland. Allem Geschrei, aller berechtigten Sorge um islamistische Radikalisierung oder altdeutschen Fremdenhass zum Trotz ist ein deutlicher Fortschritt festzustellen. Es gibt mehr Normalität, Gelassenheit und unbefangenes Interesse. Den schönsten Beleg für diese ganz unoriginelle These liefert Navid Kermani. Der bekannte Schriftsteller, Orientalist, Kulturmuslim und baldige Friedenspreisträger hat ein Buch über das Christentum geschrieben. Seine Keimzelle - ein Aufsatz über barocke Kreuzigungsbilder - hatte vor einigen Jahren noch zu einem Eklat geführt. Eine mittelbedeutende Preisverleihung an Kermani geriet ins Stocken, weil einige Kirchenführer und C-Politiker daran Anstoß genommen hatten, dass ein muslimischer Intellektueller es gewagt hatte, sich seine eigenen Gedanken über ihre Religion zu machen. Es lohnt nicht, an die Details dieser unnötigen Verwicklung zu erinnern. Es genügt, mit Befriedigung festzustellen, dass so etwas nicht wieder vorkommen dürfte, ja dass im Gegenteil Kermanis neues Buch über die schönen alten Bilder des Christentums heute mit vielen freudig-neugierigen Lesern - besonders unter den noch christlich eingestellten Deutschen - rechnen kann.

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