National Geographic ist für seine spektakulären Farbfotografien bekannt, weswegen die Abonnenten der US-Reportagezeitschrift alte Hefte oft jahrelang aufheben oder sie für gutes Geld Sammlern überlassen. Seit 2006 lobt das Magazin einen Foto-Wettbewerb aus, mit dem Fotografen auf der ganzen Welt angesprochen werden sollen. Was auch gelingt: Beim National Geographic Photo Contest 2012 gab es 22.000 Einreichungen aus 150 Ländern. Nachdem sich die Jury, der neben der Dokumentarfotografin Debbie Fleming Caffery die beiden deutschen Fotografen Christian Ziegler und Gerd Ludwig angehörten, durch diesen riesigen Bilder-Pool gekämpft hatten, wurden nun die Sieger bekannt gegeben.
Der Hauptpreis ging dabei nach Thailand an Ashley Vincent für das Foto einer Tigerin, die sich nach der Wäsche das Wasser abschüttelt. Eine beeindruckende Aufnahme, die in der US-Blogosphäre neben Lob allerdings auch Kritik erntete. Der Grund: Die abgebildete Tigerdame "Busaba" lebt in einem thailändischen Zoo in Gefangenschaft, wurde aber in der Kategorie "Natur" prämiert. Rasch zogen die Blogger Parallelen zu einem Skandal aus dem Jahr 2009. Damals hatte sich bei der Auszeichnung des Veolia Wildlife Photographer of the Year herausgestellt, dass die imposante Nahaufnahme eines wilden Wolfes allem Anschein nach gestellt war. Fotograf Jose Luis Rodriguez hatte offenbar mit einem abgerichteten Tier gearbeitet - er musste die renommierte Auszeichnung zurückgeben.
Vergleiche mit Rodriguez muss sich National Geographic-Preisträgerin Vincent sicher nicht gefallen lassen, schließlich verheimlichte sie nie, ein Tier in Gefangenschaft fotografiert zu haben. Doch allein ihr Kommentar zu dem Foto belegt, dass sie damit einen Wettbewerbsvorteil hatte gegenüber Konkurrenten wie Sanjeev Bhor oder Michael Eastman, die mit Fotos von wilden Tieren (folgende zwei Fotografien) beim National Geographic Contest 2012 nur auf die Plätze kamen. Denn "Busaba" konnte Vincent nicht davonlaufen, sodass die Fotografin immer wieder zu ihr zurückkehren konnte, bis sie die beste Aufnahme im Kasten hatte. Warum die Naturfotografie eines gefangenen Tieres für den Hauptpreis in Frage kam, wollte National Geographic nicht kommentieren: "Wir äußern uns dazu im Augenblick nicht", sagte eine Sprecherin zu Süddeutsche.de. Für Vincent selbst ist die Unterscheidung zwischen Tieren in der freien Wildbahn oder im Zoo irrelevant.
Sehen Sie in der Folge die weiteren prämierten Fotos, jeweils mit den Anmerkungen des Fotografen.
Hauptpreis: "Die Explosion"
Ashley Vincent: "Bei der Dargestellten handelt es sich um "Busaba", eine gepflegte Tigerdame aus Indochina, die heute im Khao Kheow-Zoo in Thailand lebt. Ich hatte zuvor bereits viele Porträt-Aufnahmen von "Busaba" gemacht und es wurde zunehmend schwierig, Bilder von ihr zu schießen, die sich von den zuvor gemachten Aufnahmen unterschieden. Ich begann deswegen, sie während meiner Besuche genauer zu beobachten - in der Hoffnung, sie bei einer typischen Aktion zu erwischen. Die Gelegenheit ergab sich schließlich, als ich "Busaba" dabei beobachtete, wie sie es in ihrem Privatpool gutgehen ließ und sich anschließend trocken schüttelte. In aller Bescheidenheit muss ich sagen, dass mir Mutter Natur an dem Tag wohlgesonnen war!"
Ort: Offener Zoo Khao Kheow, Chonburi, Thailand
Kategorie: Natur
Text: Paul Katzenberger und die jeweilligen Fotografen