Naher Osten:Grenzgänger

Nils Straatmann spürt Jesus nach, in Israel und in Palästina. Er landet hart in der aktuellen Politik.

Von Monika Maier-Albang

Naher Osten: Nils Straatmann: Auf Jesu Spuren. Eine Wanderung durch Israel und Palästina. Malik Verlag, München 2017. 304 Seiten, 16 Euro. E-Book 14,99 Euro.

Nils Straatmann: Auf Jesu Spuren. Eine Wanderung durch Israel und Palästina. Malik Verlag, München 2017. 304 Seiten, 16 Euro. E-Book 14,99 Euro.

Israel ist anders. Hat er ja gewusst, macht auch gerade den Reiz des Buches aus - und der ihm zugrunde liegenden Reise. Auf den "Spuren des historischen Jesus durch Israel und Palästina" zu wandern, hat sich der Theologiestudent Nils Straatmann vorgenommen. Und so bricht er auf, gemeinsam mit seinem Kumpel und Fotografen Sören Zehle. Ihr Weg führt sie von Hebron im Westjordanland nach Bethlehem, Taybeth, Jericho, Jerusalem natürlich, über Nazareth und Tiberias am See Genezareth bis an den nördlichsten Zipfel des Landes, zu den Golanhöhen. Und noch weiter ins Hermon-Gebirge, wo sie das Grollen des Krieges in Syrien - ein paar Kilometer entfernt, "auf der anderen Seite des Zauns" - bis ins Zelt verfolgt. Spätestens hier wird es existenziell. Muss es auch. Sonst wäre die Reise vergeblich gewesen.

Brotvermehrung? Muss Vollkorn gewesen sein. Das sättigt am meisten

So aber wird das Buch ein lesenswertes. Straatmann zieht einen hinein in den Alltag derer, die er unterwegs trifft: Chris, Yael und Tom, Mitri und Matt, "ohne den wir in der Wüste wahrscheinlich verdurstet wären". Ist ja auch eine Roadnovel, die einen Teil der Spannung aus den wunden Füßen und den vom Rucksack aufgescheuerten Rücken der Protagonisten zieht. Vor allem aber erzählt das Buch von den Ängsten der Menschen, die Jesu Heimat heute besiedeln: Israelis, Palästinenser, Beduinen. Christen, Juden, Muslime, Drusen. Da gibt es manche, die sich für ein Miteinander einsetzen. Und viele, die sich abgrundtief misstrauen, die den Jungs aus Deutschland abraten vom Besuch der anderen Seite: "Natürlich sind sie nett zu euch. Das ist der Touristentrick! Sie wollen euch auf ihre Seite ziehen!" Das Duo hat ja dank des deutschen Passes den unbedingten Vorteil, alle Zäune überwinden zu können. So werden sie zu Grenzgängern im Heiligen Land - ein Begriff, den Straatmann übrigens nicht verwendet. Man spürt seinen Willen, sich dem Glauben rational zu nähern. Er hat seine Lektionen in historisch-kritischer Bibelauslegung gelernt, weiß Orte mit Legendenbildung von Orten zu unterscheiden, durch die Jesus wohl wirklich kam. Manchmal ist's dort, wo's religiös wird, ein wenig flapsig. Brotvermehrung: "Hundertprozent Vollkornbrot. Von allem anderen wirst du nicht satt." Andererseits sind jedem Kapitel Bibelzitate vorangestellt. Geschmacksache. Eines zumindest ist das Buch nie: frömmelnd.

Vielmehr gesteht Straatmann sich und dem Leser ein, dass er Gott nicht näher kommt an Stätten wie der Grabes- oder der Geburtskirche. Und schon gar nicht in Jardenit, einem Stück Jordan-Ufer, das zur Taufstelle erhoben wurde, weil die vermutlich echte im heutigen Jordanien liegt und Israel seine Touristen lieber bei sich behalten will.

Manchmal kommen die Wanderer in unangenehme Situationen. Werden von Palästinenser mal freudig mit "Heil Hitler" begrüßt, mal als Spione beschimpft. Stehen dann wieder israelischen Soldaten gegenüber, die sich drohend vor ihnen aufbauen. Meist aber treffen sie, zu beiden Seiten des Zauns, auf ausgesprochen nette, hilfsbereite Menschen. Männer fast ausschließlich. Frauen bleiben Randerscheinungen, hier der Rocksaum einer Beduinin, dort ein Gespräch mit einer Soldatin. Lediglich eine Prostituierte nimmt Raum ein im Buch; Nils Straatmann macht sie extra ausfindig, um sie befragen zu können. Zu ihrer Arbeit. Zu ihrem Glauben. Maria Magdalena und so. Das ist dann doch sehr plakativ.

Angenehm ist die Unvoreingenommenheit, mit der Straatmann einem dieses Land erschließt, das mit all seinen Brüchen so schwer zu verstehen ist. Diese Jahrzehnte, Jahrhunderte zurückliegenden Verletzungen, Nakba und Shoa. Und all die frischen. Während Straatmann und Zehle wandern, passieren Anschläge, wird eine 13-jährige Jüdin von einem Muslim im Schlaf ermordet, stirbt ein junger Palästinenser nach einem Angriff auf Israelis: Ein Soldat, kaum älter als der Attentäter, schießt dem schon am Boden Liegenden in den Kopf.

"Man muss den Menschen einen Grund geben, das Leben dem Tod vorzuziehen", schreibt Straatmann. Und überlegt dann, was ihn selbst am Leben hält. Nein, leichte Kost ist das Buch nicht. Aber sättigende.

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