Nachtkritik: "Sarah & Marc - Crazy in Love":Das Vollglück in der Beschränkung

Die Neuauflage der Delmenhorster Paradiesvogel-Schau auf Pro Sieben verbreitet eher Schläfrigkeit als verrückte Sommerabend-Unterhaltung.

Franziska Seng

Der Sommer ist wieder mal sehr groß, keine Frage. Die Temperaturen steigen, die Nächte fühlen sich südlicher an, und crazy-neue Eissorten schüren unsere Zuversicht, dass in diesem - wie in jedem Sommer - theoretisch alles möglich ist. Aber mit der Europameisterschaft sind Euphorie und Jubel erstmal im Halse stecken geblieben, die unbefriedigte Erwartung drückt, scheuert wie die billigen Flip-Flops zwischen den sandigen Zehen.

Nachtkritik: "Sarah & Marc - Crazy in Love": Latte Macchiato mit Karamell und einsamer Hausmann: die Sängerin Sarah Connor und ihr Ehemann Marc Terenzi.

Latte Macchiato mit Karamell und einsamer Hausmann: die Sängerin Sarah Connor und ihr Ehemann Marc Terenzi.

(Foto: Foto: Pro Sieben)

Wie soll man sich das Warten verkürzen? Die Zeit aushalten bis zum großen Moment, in dem die Seligkeit endlich überkocht und der Sommer so richtig da ist? Man pult sich nach dem ersten Sonnenbrand die Haut ab, unternimmt Tauchgänge in chlortrunkenen Gewässern, danach fühlt man sich porentief rein, aber erlebt ist noch nichts. Man kann auch "Sarah & Marc - Crazy in Love" anschauen, die verrückte, achtteilige Fortsetzungsstaffel der Hochzeits-Soap "Sarah & Marc in Love" aus dem Jahr 2005.

Solides Eheglück kontra dramatische Inszenierung

Die Auftaktsendung zur Staffel am gestrigen Abend auf Pro Sieben ist durchaus mit einer Planscherei in einer feucht-fröhlichen Bade- und Unterhaltungsanstalt zu vergleichen, allerdings mit dem großen Vorteil, dass man sich in den Stehgewässern von "Sarah & Marc" weder vor der coolen Freibadclique noch vor Fußpilz fürchten muss. Ein Gefühl von Taubheit und Schläfrigkeit stellt sich nach den ersten Sendeminuten ein, so als hätte jemand eine riesige Flasche Sagrotan über das Wohnzimmer ergossen.

Zunächst sehen wir ausschweifende Anekdoten zur Hochzeit in Spanien vor drei Jahren, Erinnerungen an den Vorbereitungsstress, tränenreiches Zeremoniell und mit Swarovskisteinen behangene Schwäne. Auch die kleine, peinliche Staatsaffäre - Sarah Connor scheitert am Text der deutschen Nationalhymne - wird neben anderen Kataströphchen aufgewärmt. Über den Äther versendet sich die Emotionalität, der Mitheulfaktor bei "Sarah & Marc" ist geringer als bei "Terminator 2". "Leichtes Sommertheater" wäre vielleicht eine treffende Bezeichnung, hätte irgendeiner der Protagonisten ein paar unanständige Witze drauf.

Regisseure und Dramaturgen der Sendung stehen mit "Sarah & Marc" vor einer der höchsten künstlerischen Herausforderungen überhaupt, das muss gerechterweise angemerkt sein. An der dramatischen Inszenierung von solidem Eheglück, von Glaube, Liebe, Hoffnung und ähnlichen Tugenden, kann man eigentlich nur scheitern. Das wahre Glück ist eine Schwester der Langeweile und zeichnet sich nicht durch überraschende Wendungen, Irrungen und Wirrungen aus, jenen Garanten für einen gelungenen Fernsehabend, im Gegenteil. "Das Glück schreibt mit weißer Tinte", weiß Woody Allen, und der hat wirklich Erfahrung.

Zahlreiche Handlungsbeschaffungsmaßnahmen müssen so für die nötige Würze sorgen. Sarah und Marc fliegen nach New York, unter dem Vorwand, dort eine wichtige Charity-Gala zu besuchen, zu der auch Promis wie Cindy Crawford kommen. Sarah geht shoppen, kauft für die Gala sehr teuer ein - und man ist leicht irritiert, dass sie die Preisschilder nicht an den Sachen dran lässt, so müsste sie nicht pausenlos erzählen, wie viele Tausende von Dollar sie das jetzt gekostet habe.

Süß, frech, voraussehbar

In schwindelerregendem Tempo wechselt sie die Frisuren, süße Korkenzieherlocken hier, frecher Strubbel da. Ihr blonder Schopf ist heller als ihr Teint und der Weizen in ihrer Heimat Niedersachsen. Sarah Connor trinkt gerne Latte Macchiato mit Karamell. Aber auch das hatte man irgendwie geahnt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Sarah Connors Ehemann im Moment "eine schwierige Zeit durchmacht".

Das Vollglück in der Beschränkung

Als Überraschung entpuppte sich im Lauf der ersten Sendung der stille Amerikaner im vielköpfigen Connor-Clan. Auf die Entwicklung von Sarahs Ehemann Marc Terenzi darf man gespannt sein. Bahnt sich hier das Drama des einsamen Hausmanns an? "Er macht gerade eine schwierige Zeit durch", gesteht ihm die Gattin zu, schließlich feiere er in diesem Jahr seinen dreißigsten Geburtstag. Aber womöglich liegen die Probleme tiefer, ist das Ex-Boygroup-Mitglied mit seinem aktuellen Projekt, der "Terenzi Horror Night", einer Grusel-Party in einer Delmenhorster Diskothek, nicht ganz ausgelastet?

So richtig crazy schmeckt der Sommer noch nicht. Eher nach desinfizierten, schrumpeligen Gemütsfrüchten, präsentiert zu guter Sendezeit auf silbernen Tellern. Die Poesie der Redundanz, die das Warten auf das Sommerleben erst erträglich macht, hat sich bei Sarah und Marc in der ersten Folge noch nicht eingestellt, aber vielleicht kann das noch werden. Acht Folgen wird es von den beiden geben, dann ist allerdings schon wieder September und Herbst. Und was ist mit unseren tollen, crazy Erlebnissen?

Morgen befolge ich den wohlmeindenden Rat meiner Mutter und bleiche mir endlich die Haare, mindestens so blond wie der Weizen in Niedersachsen.

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