Nachruf:Lustig und links

Fanny Müller, jetzt 74-jährig verstorben, hieß eigentlich Ingeborg Glock und war Berufsschullehrerin. Ihre Kolumnen über "Frau K." machten sie zur großen Dichterin des Alltags im Hamburger Schanzenviertel.

Von Willi Winkler

Die böse Politik, das weiß jeder Klippschüler, verdirbt den besten Charakter. Manche machen sogar einen Beruf daraus, werden Kanzlerkandidat oder Generalbundesbevollmächtigte für dies & das. Die Berufsschullehrerin Ingeborg Glock kandidierte 1986 für die Grün-Alternative Liste (GAL) und zog mit zwölf weiteren Frauen in die Hamburger Bürgerschaft ein. Der regierende Stadtadel in Gestalt von Klaus von Dohnanyi musste fortan mit der verachteten Frauenfraktion regieren. Lang währte das "Feminat" nicht, es wurde neu gewählt, und Frau Glock kehrte an die Berufsschule zurück und unterrichtete wieder lernunwillige Lehrlinge und erwachsene Analphabeten.

Die Monate in der Politik hatten allerdings auch sie verändert: Frau Glock verwandelte sich unbemerkt in Fanny Müller, die Beobachterin, die Silbenstecherin, die Miniaturistin. So gründlich gelang ihr der Wechsel von der Politik in die Kunst, dass Wikipedia sie bis heute unter beiden Namen führt, und die beiden Einträge nichts voneinander wissen. Frau Müller begann sich bedenkenlos an Zeitungen zu verschwenden, die wie die taz und Titanic noch heute von ihr träumen. Ihr Medium war die Frau K., die natürlich wegen Brecht so hieß, aber komischer und deshalb auch gescheiter vom Leben zu erzählen wusste als der Herr Keuner. Außerdem wohnte Frau K. im Karoviertel, verfügte über einen unbrauchbaren Hund, drei lästige Nichten und über etwas, das zum Glück schon lang nicht mehr Mutterwitz heißt. So klang Fanny Müller: "Vor einigen Jahren gab es eine Ausstellung in Hamburg 'Ärzte malen'. So was muss ja nicht sein. Eine Ausstellung 'Maler operieren' gab es leider nicht. Das wäre bestimmt amüsanter gewesen. Und farbiger."

Doch wie sollte sie damit groß rauskommen? Sie vertrante sich ums Verrecken nicht in Literaturromanen, kolumnierte auch nicht zu Finanz-, Kultur- und weiteren Krisen, sondern schöpfte lieber aus ihrer reichen Erfahrung als Au-pair, Buffet-Stütze und Biker- und Bildzeitungsredakteursbraut. Nur die Politik sparte sie aus, wenn sie nicht die Frau K. ihren Hund "Arbeiterverräter" schimpfen ließ. Immerhin gab es dafür den Ben-Witter-Preis.

Wie Harry Rowohlt, wie Horst Tomayer blieb sie unerschütterlich links. Die Zeitschrift konkret zitiert sie so: "Ich habe schon so und so oft versucht, Extremismus gegenüber demokratischen Verhältnissen zu schüren, aber es ist mir noch nie gelungen." Am 17 . Mai ist die Hamburger Dichterin Fanny Müller im Alter von 74 Jahren gestorben. Der Politik wird sie weiter fehlen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: