Nachruf:König Midi

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Ikutaro Kakehashi wurde 1930 in Osaka geboren und war Radio-Elektriker, bevor er den Grundstein legte für die Automatisierung des Schlagzeugs - und so von Hip-Hop und Techno.

(Foto: Kyodo News/AP)

Der Synthie-Entwickler Ikutaro Kakehashi ist tot. Er legte den Grundstein für den Drum-Computer, ohne den Hip-Hop und Techno nicht denkbar sind.

Von Jan Kedves

Als Anfang der Achtzigerjahre immer mehr Firmen erschwingliche Synthesizer auf den Markt brachten, erkannte Ikutaro Kakehashi, dass all diese neuen Instrumente einen digitalen Dirigenten bräuchten, der sie im Studio zu einem Orchester vereinen kann. Der Dirigent hieß MIDI: Musical Instrument Digital Interface. MIDI ist bis heute die DIN-Norm für Synthesizer, oder: das musikalische Esperanto der Nullen und Einsen. Kakehashi entwickelte diesen Studio-Standard nicht allein, sondern initiierte ihn 1981 mit Dave Smith von der amerikanischen Firma Sequential Circuits. Musikalische Synchronisation zwischen einst verfeindeten Nationen. Smith und Kakehashi bekamen dafür 2013 den Ehren-Grammy für technische Innovation.

Kakehashi wurde 1930 in Osaka geboren und fing als Uhrmacher an, später verkaufte und reparierte er Radios. Eine musikalische Ausbildung genoss der Waisenjunge nicht, aber er liebte Musik. 1964 entwickelte er sein erstes Gerät, den FR-1 Rhythm Ace. Er spielte vorprogrammierte Rhythmen ab und wurde schon bald in den elektrischen Orgeln von Hammond eingebaut, womit diese zu Alleinunterhalter-Orgeln mit rhythmischer Begleit-Automatik wurden. Waltzer, Rumba, Cha-Cha-Cha. Das war vom harten Maschinen-Funk des Hip-Hop und der Techno-Kultur, welche Kakehashi mit seiner 1972 gegründeten Firma Roland Corporation ermöglichte, noch meilenweit entfernt.

Aber der Grundstein zur Automatisierung der Schlagzeugkunst war gelegt. Die Schlagzeuger hätten ihn dafür hassen können. Aber in dem Film "808: The Movie" (2015) sangen sogar Phil Collins und Ahmir "Questlove" Thompson von den Roots - zwei ausgewiesen exzellente Schlagzeuger - ein Loblied auf den Drum-Computer Roland TR-808. Ihn hatte Kakehashi 1980 auf den Markt gebracht, und schon bald war er in Marvin Gayes Single "Sexual Healing" oder in Afrika Bambaataas frühem Hip-Hop-Klassiker "Planet Rock" (beide 1982) zu hören, beziehungsweise: körperlich zu spüren. Denn Kakehashis Genie lag darin, die Sounds in diesem Gerät so zu abstrahieren, dass sie zwar nicht realistisch, dafür sehr massiv klangen. Basstrommel: Bumm! Hi-Hat: Zisssch! Ohne die TR-808 heute kein Hip-Hop- und kein Techno. Und ohne den drei Jahre später lancierten Bass-Synthesizer Roland TB-303 kein säuerlich zwitschernder Acid-House.

Ikutaro Kakehashi starb am Samstag im Alter von 87 Jahren.

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