Nachruf Gerhard Zwerenz:Zwischen allen Stühlen

Gerhard Zwerenz ist tot

Gerhard Zwerenz (1925-2015).

(Foto: Klaus Franke/dpa)

Ein abgetriebener Sohn der DDR, hat er von sich gesagt. Hat sich immer als proletarisch verstanden. Hat (mit Fassbinder) für Eklat gesorgt mit dem Roman ´Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond`. Mit 90 ist der Autor nun gestorben.

Von Christopher Schmidt

Einen "abgetriebenen Sohn der DDR" hat Gerhard Zwerenz sich einmal genannt. Als dezidiert linker Autor legte er, 1925 im sächsischen Gablenz in eine Arbeiterfamilie hineingeboren, stets Wert auf seine proletarische Herkunft. Nach dem Krieg, in dem er zur Roten Armee übergelaufen war, machte er eine Lehre zum Kesselschmied und studierte später Philosophie bei Ernst Bloch in Leipzig. 1957 wurde Zwerenz aus der SED ausgeschlossen, für die er zu aufmüpfig war, und floh in die Bundesrepublik. Zwerenz war ein über die Maßen produktiver Autor; mehr als hundert Bücher unterschiedlichster Art - Romane, Krimis, Kinderbücher, aber auch handfeste Pornografie - hat er verfasst. Er wollte etwas bewirken und scheute daher nicht das Populäre. Sein sexualaufklärerischer Roman "Casanova oder der kleine Herr in Krieg und Frieden" (1966) wurde ein Bestseller. Einen Eklat löste 1973 sein Buch "Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond" aus. Die unverkennbar von Ignatz Bubis inspirierte Figur eines jüdischen Immobilienspekulanten brachte Zwerenz den Vorwurf des Antisemitismus ein; Rainer Werner Fassbinder verarbeitete den Roman zu dem Theaterstück "Der Müll, die Stadt und der Tod", das 1985 nach Protesten abgesetzt wurde. Auch mit dem Essay "Soldaten sind Mörder" (1988) machte Zwerenz Skandal. Für die SED-Nachfolgepartei PDS saß er von 1994 bis 1998 im Bundestag. Zu seinem 90. Geburtstag (SZ vom 3. Juni) schrieb Franziska Augstein: "Er hat geschimpft und gepöbelt, er hat ausgeteilt und viel eingesteckt. Er ist eine Bereicherung für das Land." Am Montag ist Gerhard Zwerenz nach längerer Krankheit gestorben.

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